TS 85: Endstation Zukunft
Mike. In den letzten zwei Jahrzehnten sind siebzehn neue Planeten entdeckt worden. Die höchste Stufe, die eines ihrer Lebewesen erreichte, war die eines wolfsähnlichen Tieres auf Procyon V. Man konnte ihm beibringen, daß es einen weggeworfenen Stock wiederholen sollte, aber das war auch schon alles.“
Lukas nahm einen großen Schluck Cola. „Eines Tages wird es aber doch soweit sein.“
Chirico lachte. „Sicher, alles kann eines Tages geschehen. Gib einem Affen eine Schreibmaschine und genügend Zeit, dann wird er eines Tages bessere Theaterstücke als Shakespeare schreiben!“
Lukas zuckte mit den Schultern. „Vor hundert Jahren dachten die Menschen noch, daß die Erde einzigartig wäre. Heutzutage denken sie wenigstens nur noch, daß die menschliche Rasse einzigartig ist. Ich hoffe nur, daß ich den Tag noch erlebe, an dem ihr Schlaumeier eure größte Überraschung erlebt!“
Alsdorf gab Duluth einen Rippenstoß und erhielt ein Schnarchen als einzige Antwort. „Joe ist nicht mehr ganz da. Du auch nicht, Mike. Ihr solltet wirklich ins Bett gehen. Wir können euch nur in wachem Zustand gebrauchen, wenn wir landen und Supermänner suchen …“ Er lachte herzlich.
„Viel Vergnügen“, grinste Lukas. „Jetzt könnt ihr mal zur Abwechslung zwei Nächte lang nicht mehr schlafen, wenn es euch Spaß macht. Wie lange dauert es, bis du einen Landeplatz gefunden hast?“
Der Geophysiker sah geistesabwesend durch die Steuerbordluke. „Neun Zehntel Wasser“, murmelte er, beinahe zu sich selbst. „Eine gründliche Überprüfung und Vermessung der Landflächen würde vermutlich etwa vier Tage dauern, aber ich glaube, daß wir vielleicht schon in zwanzig Stunden einen geeigneten Landeplatz gefunden haben werden.“
Captain Lukas stand auf und packte Duluth am Kragen. „Hilf mir mal mit der Leiche hier, Tony.“ Er wandte sich an Alsdorf. „Nur kein überflüssiges Mitleid mit mir, Kurt! Weck mich auf jeden Fall auf, wenn irgend etwas auftaucht, dem ihr allein nicht gewachsen seid.“
Drei Minuten später hatten sie Duluth in seine Koje gepackt und Lukas saß auf seiner eigenen. Seltsamerweise war er jetzt überhaupt nicht mehr müde, sondern holte sich aus dem Fach über dem Kopf ein Buch und eine Packung Zigaretten.
Chirico sah ihm überrascht zu. „Jetzt bist du schon so lange wach, Mike, und willst immer noch lesen? Du bist wohl nicht mehr ganz in Ordnung? Warum nimmst du nicht einfach so eine hübsche kleine Tablette?“
„Hau ab, du verhinderte Kinderschwester! Ich entspanne mich nur. Ich werde dann schon von selbst einschlafen.“
Der Italiener tippte sich leicht mit dem Zeigefinger an die Stirn und ging in die Messe zurück. Dort fand er Alsdorf, der einen Rechenschieber in der Hand hatte und einen Zettel mit langen Zahlenkolonnen bedeckte, deren Ergebnisse er in eine grobe Umrißskizze der Kontinente von Fomalhaut III eintrug.
„Allmählich glaube ich doch, daß Mike es mit dem Buddhismus ernst meint“, sagte der Italiener beiläufig, als er sich ein anderes Sandwich genommen hatte.
Alsdorf sah auf und zog eine Augenbraue in die Höhe. Chirico biß ein großes Stück ab und fuhr dann fort: „Jetzt ist er immerhin schon vierundsechzig Stunden ununterbrochen wach, aber trotzdem sitzt er in seiner Koje und liest ,Die Straße zum Nirwana’. Meiner Meinung nach ist er schon halbwegs dort …“
Alsdorf lächelte überheblich. „Übermüdung, Tony. Aber andererseits habe ich festgestellt, daß fast alle Raumpiloten sich früher oder später eine Art Religion suchen und sich intensiv damit beschäftigen. Jedenfalls ist das ein praktisches Sicherheitsventil für etwaige Befürchtungen und Ängste.“
Tony dachte einen Augenblick nach. „Wenn ich es recht betrachte, dann bin ich eigentlich katholisch“, sagte er schließlich. „Im Grunde genommen brauchen wir alle etwas, woran wir uns festhalten können.“
Alsdorf nahm seinen Rechenschieber wieder auf. „Nicht alle, Tony. Ich halte es mit denen, die alles logisch sehen – das Universum ist schließlich nichts anderes als ein Uhrwerk – jede Ursache hat ihre Wirkung. Offen gesagt, verstehe ich nicht ganz, wie ihr euren Glauben mit eurer wissenschaftlichen Arbeit in Einklang bringt! Du und Mike, ihr müßt eigentlich direkt ein bißchen schizophren sein, um das zu tun.“
Chirico lächelte. „Du bist eine Rechenmaschine, Kurt. Rechenmaschinen kommen nicht in den Himmel.“
Der Geophysiker stand auf. „Im Augenblick bin ich nur daran
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