TS 86: Geist ohne Fesseln
kurzen Flutwelle.
In Lucky Hill sahen sich die Lehrer schweigend an. Aber hinter dem Schweigen lag die Befriedigung über den geglückten Versuch. Sie alle hatten seit knapp eineinhalb Jahren ihr Bestes gegeben – hier war der überzeugende Beweis. Die Spannung löste sich und machte einer Reihe von befreienden Gesprächen Luft. Es war den Kindern nicht mehr viel zu lehren; nur noch abrundende oder informative Dinge mußten weiter geübt und gelehrt werden.
Dieser Versuch, mit denselben Schülern und anderen Mitteln, ausgedehnt über die Weite von rund hundertneunzig Planeten dieserGalaxis, gesteuert von einem Plan des alten Majors und dem Hirn So Pak Laus – er würde die nächste große Aktion sein.
Zwei Monate mußten noch vergehen, ehe das Sternenreich der Quaysa durch einen harten Schlag erschüttert werden würde. Wenn alles so ging, wie es gehen sollte, war auch der schnelle Sieg und das schnelle Ende des Krieges gesichert. Aber … würden die Schüler mit den ungeheuren Entfernungen und der veränderten Materie fertig werden?
Niemand wußte es.
Auch die Seher konnten es nicht sagen. Ihre Fähigkeit erstreckte sich nicht über die Spanne von zwei Monaten. McKinney spürte, wie er zum zweitenmal innerhalb der gesteckten Frist unruhig wurde.
Er stand auf und verließ den kleinen Garten. Vor dem Eingang erwartete er die Kinder, die sich hierher teleportierten und ihre Kameraden mitbrachten, die dieser Fähigkeit nicht mächtig waren.
*
Eric Abraham Flint war Amerikaner und über vierzig Jahre alt. Zu seiner Erscheinung gehörten die schwarzen Sporthemden ebenso wie die langen Zigaretten, die er schneller rauchte, als es möglich zu sein schien. Jeder Versuch, ihm das hastige Rauchen abzugewöhnen, war bereits zum Scheitern verurteilt, ehe er beginnen konnte. Nicht zuletzt war es die Schnelligkeit der Handlungen, die ihn zu einem begabten und guten Lehrer machten. Auch seine unerschütterliche, abgrundtiefe Ruhe – und die Beruhigung, die von Flint ausging – waren die Mittel, mit denen er operierte.
Die Schüler saßen in drei Sechserreihen in seinem Unterrichtszimmer. Seit zwei Stunden war das Fach „Graphik und schnelles Erfassen“ Gegenstand der Unterhaltung. Die Unterhaltung wurde in Quaysanii geführt; nur durch den pausenlosen Gebrauch der Sprache konnten die Schüler schnell und sicher lernen, ohne Vokabeln auswendig büffeln zu müssen. Flint bevorzugte die natürliche Methode.
Sie bestand darin, daß jeder Schüler nur das tat, was er gern mochte. Der heilsame Trugschluß lag darin, daß schon lange vorher festgelegt worden war, was der Schüler gern tun würde. Der pädagogische Trick war Flints ureigene Domäne. In den Vorerwägungen zu seinen Unterrichtsstunden hatten diese Überlegungen einen großen Raum beansprucht.
„Wir haben schon seit Wochen damit angefangen“, sagte Flint langsam in tadellosem Quaysanii und sah sich in der Klasse um, „einzelne Gruppen zu bilden. Diese Gruppen bestehen aus drei Mann – infolgedessen haben wir sechs Gruppen. Ich bitte, daß sich die sechs Gruppen um je einen Tisch versammeln.“
Es folgten zehn Minuten, in denen Tische umgestellt und Stühle gerückt wurden. Diese und eine Menge anderer einfacher Arbeiten erledigten selbst die Telekineten noch mit den Händen; sie taten es deshalb, um eine Flut von unklaren Handlungen zu vermeiden. Endlich war wieder Ruhe in dem sonnendurchglühten Zimmer.
„Was haben die Gruppen mit unserem heutigen Unterricht zu tun?“ fragte Arno Markus, der Seher und blickte seine Kameraden an, Robbie Owen und Coril Lumgair.
Arno sprach Terranisch.
Flint blickte ihn an, zog die Augenbrauen hoch und wies stumm auf die Tafel. Dort schwebte ein Stück Kreide und schrieb einen Text an.
„Markus ist dumm – er weiß nicht, daß wir jetzt Quaysanii schreiben und sprechen.“
Markus bemerkte den Text, und sein Gesicht wurde rot. Dann drehte Arno langsam seinen Kopf, bis Anton Plasman, der russische Energetiker, in sein Blickfeld kam. Plasman hatte telekinetisch geschrieben; jetzt revanchierte sich Markus. Er sagte auf Quaysanii:
„Du wirst morgen mittag entsetzliche Magenschmerzen bekommen, Anton. Sie werden drei Stunden dauern – das ,sehe’ ich ganz deutlich!“
Plasman wurde bleich, Flint blockierte seine Gedanken und lachte lautlos. Dann bat er um Ruhe.
„Um auf deine Frage zurückzukommen, Arno“, sagte Flint und ließ von Huitzinga Zeichenpapier austeilen, „was die Gruppen mit dem heutigen
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