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TS 86: Geist ohne Fesseln

TS 86: Geist ohne Fesseln

Titel: TS 86: Geist ohne Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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erreichen konnten.
    „Lauft hinein, holt euch irgendein Papier und zeichnet unabhängig voneinander das Panorama auf. Lauft – anschließend gibt es etwas zu essen!“
    Langsam und von einer tonnenschweren Last befreit ging Odette hinter den losrennenden Kindern nach Lucky Hill zurück. Sie ging in ihr Zimmer, mischte sich einen kleinen Drink, stürzte ihn hinunter und zündete sich dann eine neue Zigarette an. Diesmal schmeckte sie.
    Zehn Minuten lang lag das Mädchen ausgestreckt in dem Sessel, dann suchte und fand sie ihre fünf Schüler und kontrollierte die fünf Zeichnungen. Wieder konnte Odette einen Erfolg für sich buchen; die Kinder waren jederzeit fähig, Unwesentliches von Wesentlichem zu unterscheiden. Für heute war der praktische Teil des Unterrichts zu Ende.
    Der Nachmittag gehörte So Pak Lau.
    Er lehrte Geisteswissenschaften und führte das Training des Inneren durch. Dadurch, daß So Pak jederzeit freien Zugang zu dem lernbegierigen Geist aller Schüler hatte, war die Durchführung seines Programms gesichert. Er war es, dem es in einzigartiger Weise gelungen war, aus den achtzehn Schülern eine geschlossene geistige Einheit zu formen. Sie hielten ihre Kontakte – wenn es gewünscht wurde – über jede Entfernung aufrecht. Jeder der achtzehn wußte in einer solchen Phase, ohne zu überlegen oder zu forschen, was der andere dachte, fühlte, sah oder empfand.
    So Pak war unfähig, auch nur eine Stecknadel vom Tisch aufzuheben, ohne sie zu berühren, er konnte nicht wie Tadros Glutbälle mit den Temperaturen von Sonnenkernen erzeugen und er vermochte nicht, in die Zukunft oder auf einen fremden Planeten zu sehen – alles Fähigkeiten, die teilweise jahrelang bei seinen Schülern ausgebildet und systematisch trainiert worden waren.
    Aber er konnte eines:
    Er vermittelte den Schülern die tiefen, elementaren Einsichten in die Ordnung von Recht und Unrecht, von Macht, Mißbrauch und kluger Einschränkung. Er ging von folgender Überlegung aus: Kinder sind, solange sie noch nicht mit diesen Begriffen konfrontiert worden waren, von Natur aus grausam, ohne jeden Sinn für die Tragweite ihrer Handlungen.
    Ein kleines Kind, das einem hilflosen Käfer die Beine herausreißt, weiß nicht, daß es dem Tier wehtut. Erst die dauernde Erziehung von Beziehungen zwischen Ursachen, Wirkung und den Folgen einer Handlung vermag diese Gleichgültigkeit zu beseitigen. Glücklicherweise waren die Kinder alle bereits in der Altersstufe, in der ihnen diese Einsichten nicht mehr schwerfielen. Sie waren, was die normale Entwicklung anbetraf – bewußt wurde bei dieser Überlegung die Flut der Sonderbegabungen ausgeklammert – normale Kinder und mußten als solche behandelt werden.
    Ein Telekinet, der eine Flotte von Schlachtschiffen auf einem Raumhafen der Quaysa zerstörte, mußte wissen, was er dabei berücksichtigen sollte; nach Möglichkeit nur Material zu zerstören und keine Menschen zu schädigen. Es war nicht der Sinn dieser Aktion, Planeten zu entvölkern. Obwohl es durchaus in der Macht der Schüler von Lucky Hill stand …
    So Pak Lau sah wie ein Mann aus, der niemals alt werden konnte, weil er bereits den letzten, gültigen Ausdruck erreicht hatte. Das fast mönchisch strenge, aber lächelnde Gesicht des Asiaten verstärkte diesen Eindruck; sogar das Lächeln war noch einer vergeistigten Ausdrucksform untergeordnet. So Pak also schuf die sozialen Grenzen, innerhalb deren die Schüler operieren mußten. In den fünfzehn Monaten auf Lucky Hill war es dem Lehrer gelungen, aus den achtzehn Schülern eine einzige geistige Einheit zu schaffen.
    Die Seher, Telekineten, Teleporteure oder Energetiker bildeten einen einzigen Gedankenblock, der achtzehn Eingänge und ebenso viele Funktionen hatte. All diese Regungen, Empfindungen und Gedankenströme zu ordnen, war die alleinige Aufgabe So Paks.
    Es waren weder Wissen noch Kenntnisse, die der Asiat vermittelte, sondern die Erforschung des eigenen geistigen Raumes und dessen Möglichkeiten. Jeder Impuls, der von diesem Verband der achtzehn Hirne aufgenommen wurde, mußte reibungslos und automatisch verstanden und gespeichert werden. Wenn Coril Lumgair, dreißig Lichtjahre von Longhurst entfernt, einen Gegenstand bewegt hatte, so mußte es Hidalgo auf einem anderen Planeten ebenso wissen wieArno Markus, der auf Lucky Hill blieb. Jederzeit mußte jeder Schüler einem anderen Hilfe leisten können.
    Die suggestive Kraft des Asiaten – stetig und von einer unwahrscheinlichen

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