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TS 88: Das Ende der Zeitreise

TS 88: Das Ende der Zeitreise

Titel: TS 88: Das Ende der Zeitreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Ewers
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der vermeintlichen Rettung entgegen.
     
    *
     
    Eine Stunde später. Toby hatte noch nichts von der Suchmannschaft entdeckt, und allmählich begann er wieder zu verzagen. Er kämpfte sich langsam durch das dichte Unterholz und hatte große Mühe, die immer stärker werdende Müdigkeit zu unterdrücken. Da, plötzlich, bewegten sich dicht vor ihm die Zweige. Sekundenlang wurden die undeutlichen Umrisse einer menschlichen Gestalt sichtbar.
    „Hier bin ich!“ schrie der Junge, voller Angst, er könnte nicht bemerkt werden.
    Das Gebüsch teilte sich. Zuerst kam der Doppellauf eines Jagdgewehres zum Vorschein, dann schälte sich aus dem Halbdunkel der Umriß einer Kopfbedeckung heraus, die den Namen Hut sicher schon seit langem zu Unrecht trug. Darunter lugte etwas hervor, das wie ein Knäuel Putzwolle aussah. Toby brauchte einige Zeit, um das Knäuel als ungepflegten Vollbart zu definieren. Bei diesem Anblick begann er zu bereuen, daß er sich bemerkbar gemacht hatte. Die Leute in Newcastle erzählten viel von Gesetzesbrechern, die ihre Schlupfwinkel in den Black Hills besaßen – und genauso wie diese Erscheinung hatte sich Toby einen solchen Banditen vorgestellt.
    Mittlerweile war der Mann näher gekommen und stand dicht vor Toby. Der Geruch nach Fusel und Kautabak, der ihm voranwehte, ließ ihn für den Jungen nicht gerade vertrauenswürdiger erscheinen.
    „Was suchst du hier?“ grollte es aus einem schwarzen Loch, das in dem verfilzten Gestrüpp unter einer raubvogelartigen Hakennase klaffte und sich bewegte. Toby hatte Mühe, die Worte von den Lippen zu lesen.
    „Ich … ich … suche …“, stotterte Toby und verbesserte sich schnell: „Die Leute aus Lead und Newcastle suchen nach mir. Sie müssen jeden Augenblick kommen. Ich habe ihre Leuchtrakete gesehen.“ Er hoffte insgeheim, daß der Mann jetzt Angst bekäme und sich schleunigst davonmachte. Doch der rührte sich nicht von der Stelle.
    „So …“, dehnte der Mann, und der Lauf der Flinte senkte sich, „man sucht dich also. Bist ausgerissen, he?“ Er streckte die Hand aus. Toby wich furchtsam zurück. Aber da hatte ihn der Fremde schon am Kragen gepackt und hielt ihn fest. „Halt! Hiergeblieben! Denkst du, die Leute von Lead und Newcastle haben nichts weiter zu tun, als dir immerfort nachzurennen?“ Der Mann schmunzelte, und Toby empfand plötzlich so etwas wie Sympathie für ihn. Erleichtert seufzte er. Die Augen des Mannes kniffen sich grinsend zusammen. „Ah, hattest du Angst vor mir gehabt, mein Junge. Haha! Der alte Lister sieht nicht gerade gesellschaftsfähig aus. Aber das wäre ja wohl für einen Waldhüter zuviel verlangt, wie?“
    Erneut atmete Toby auf. Das also war Lister, der Waldhüter! Er hatte in Newcastle schon von ihm reden hören. Eigentlich war der Titel „Waldhüter“ vom alten Lister willkürlich gewählt. Niemand hatte ihn in dieses Amt eingesetzt. Er hatte es sich einfach angeeignet, aber da er kein Geld verlangte und auch nie Schaden angerichtet hatte, wurde er stillschweigend geduldet. Viele einsame Wanderer, die sich hoffnungslos verirrt hatten, verdankten ihm ihr Leben.
    Toby beobachtete aufmerksam seinen Mund, um sich keines der Worte entgehen zu lassen. Doch plötzlich irrte sein Blick ab. Er hatte eine neuerliche Bewegung bemerkt, schräg hinter dem Waldhüter. Lister mußte ein guter Beobachter sein, denn er bemerkte sofort die Veränderung, die mit Tobys Gesicht vorging. Ruckartig drehte er sich um und starrte, ebenso wie Toby, die seltsame Erscheinung an, die leicht schwankend in der Dunkelheit stand und sich bleich gegen das Schwarz des Unterholzes abhob. Toby hatte schon viel von Gespenstern gehört, aber nie daran geglaubt. Doch jetzt schienen die Gruselgeschichten der alten Mammy Rahel Fleisch geworden zu sein.
    Was dort reglos stand, war weder Mensch noch Tier. Es deuchte Toby eher wie ein dicht über dem Waldboden schwebender Kokon aus unsagbar feinen, weißen und obendrein fluoreszierenden Seidenfäden – nur, daß dieser Kokon größer war als der einer Seidenraupe, viel größer sogar, mindestens einen Meter lang und einen Viertelmeter dick.
    Sowohl der Junge als auch der alte Waldhüter vermochten vor Schreck kein Glied zu rühren. Erst, als aus der Mitte der seidigen Hülle drei fingerstarke, lange Fühler oder Schläuche hervorkrochen und, wie von einem Windzug bewegt, hin und her schwankten, löste sich des Alten Erstarrung. Er riß das Gewehr hoch und legte es auf die Gestalt an. Doch er

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