TS 90: Die dritte Chance
Farm.
Und dann erkannte er den Unterschied.
Unter dem Fenster stand kein Baum.
Das war der Beweis, daß er nicht auf Harrisons Farm weilte. Vielleicht gab es noch genug andere Beweise, aber so genau hatte er sich Harrisons Farm ja auch nicht angesehen. Einem besseren Beobachter würde der Unterschied sofort auffallen.
Er setzte sich wieder hinter das Steuer seines Wagens und fuhr zur Straße zurück. Zwölf Kilometer zeigte der Tacho. Dann bog er in den anderen Weg ein. Wieder die gleiche Strecke, aber dreizehn Kilometer. Also gab es auch hier einen Unterschied!
Der Anblick der identischen Farm wirkte in der Tat verblüffend, auch wenn man darauf vorbereitet war. Nur stand hier unter dem Fenster im ersten Stock der dicke Baum. Es war der einzige offensichtliche Unterschied.
Fabians Herz begann heftiger zu schlagen, als er langsam auf das Farmgebäude zufuhr und den Wagen dicht vor der Veranda zum Stehen brachte. Niemand war zu sehen, aber er war davon überzeugt, daß man ihn beobachtete. Harrison würde große Augen machen, wenn er den unerwarteten Besucher erkannte.
Er stieg aus und schloß die Wagentür. Langsam schritt er auf die Veranda zu. Die Tür öffnete sich, und Harrison trat ihm entgegen. Er mußte seine Überraschung inzwischen überwunden haben, denn sein Gesicht strahlte Wohlwollen und Zufriedenheit aus, als er Fabian beide Hände entgegenstreckte und sagte:
„Freut mich, Doktor, daß Sie zurückgekommen sind.“
*
Harrison – oder wie immer er auch heißen mochte – war ein intelligenter und gebildeter Mann, der sich für viele Wissensgebiete interessierte. Er war, das fand Fabian bald heraus, kein berufsmäßiger Agent, sondern er arbeitete aus Überzeugung. Harrison war gebürtiger Russe.
Als Fabian geendet hatte, saß er mindestens noch zwei Minuten stumm und unbeweglich in seinem Sessel und starrte sein Gegenüber an. Die schwarze Zigarre hing erloschen in seinem Mundwinkel. Die vollen Gläser standen unberührt auf ihrem Platz. Im Kamin knisterten die Scheite.
Fabian lehnte sich zurück und fuhr fort:
„Sie können mir nun glauben oder nicht, Harrison, aber ich versichere Ihnen, es ist die Wahrheit. Nur noch Professor Weißberger kannte sie, aber er ist tot. In genau acht Wochen bricht der atomare Krieg aus, und er wird von uns allen nichts mehr übriglassen. Ich habe versucht, ihn zu verhindern, aber ich sehe immer noch nicht, wie mir das möglich sein sollte. Sie sind meine letzte Hoffnung, deshalb kehrte ich zu Ihnen zurück. Ich würde sogar die zehn Bomben stehlen, wenn ich wüßte, damit die Katastrophe verhindern zu können. Aber ich habe keinen Einfluß mehr, niemand traut mir noch. Ich käme nicht einmal auf tausend Kilometer an das Arsenal heran.“
Harrison saß noch immer da, nachdenklich und ernst. Wie nebenbei sagte er:
„Sie irren, Fabian. Das Arsenal ist nicht einmal zweihundert Kilometer von hier entfernt – aber das macht keinen Unterschied. Niemand kommt da hinein – auch wir nicht. Sonst hätten wir Sie ja damals nicht aufgehalten.“
„Wenn Sie eine Idee haben, dann sagen Sie es mir. Acht Wochen sind eine verdammt kurze Zeit.“
Harrison sah Fabian an.
„Mit einer Zeitmaschine …? Ein Jahr in die Vergangenheit zurückgebracht? Das ist der einzige Punkt, der mir nicht in den Kopf will. Es kann überhaupt keine Zeitmaschine geben, das wäre gegen jede Vernunft. Ich glaube, man hat Sie getäuscht. Vielleicht waren es gar keine außerirdischen Intelligenzen.“
„Ich betonte schon, daß mir Weißberger selbst den Beweis lieferte, daß ein solches Raumschiff heute die Erde umkreist. Wir haben unsere Beobachtungen aus zwei verschiedenen Quellen, aber das Ergebnis war identisch. Genauso identisch wie Ihre Farm und die Ihrer Nachbarn.“
Harrison blickte auf, dann überzog ein Lächeln sein Gesicht.
„Das wissen Sie also auch, Doktor? Tüchtig, sehr tüchtig. Und Sie haben es dem amerikanischen Geheimdienst nicht mitgeteilt?“
„Erstens weiß ich es erst seit einigen Stunden, und außerdem hätte ich gar keinen Grund, Sie zu verraten. Wenigstens so lange nicht, wie Sie mit mir zusammenarbeiten wollen. Oder wollen Sie nicht?“
„Und wie stellen Sie sich das vor? Meine Version der Zusammenarbeit hat Ihnen damals nicht behagt, aber vielleicht haben Sie heute bessere Gegenvorschläge als damals. Natürlich könnten wir zusammenarbeiten. Aber ich habe eine Aufgabe, die ich erfüllen muß und die …“
„… die in acht Wochen überflüssig
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