TS 90: Die dritte Chance
sich erst, als er sprach.
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Fabian“, sagte er. „Sie haben Bewährung, und der geringste verdächtige Umstand schickt Sie für zwei Jahre ins Gefängnis. Allein die Tatsache Ihrer zugegebenen Verbindung zum feindlichen Geheimdienst würde genügen, das Urteil wirksam werden zu lassen. Ich gebe Ihnen also den guten Rat, rückhaltlos auszupacken. Wenn dieser Harrison, oder wie immer er sich nennt, in unserer Hand ist, werde ich dafür Sorge tragen, daß das Urteil gegen Sie zurückgezogen wird. Sie erweisen uns allen einen großen Dienst. Daran sollten Sie auch denken.“
„Ich erweise uns allen einen größeren Dienst, wenn ich das nicht tue, General. Ich weiß, daß meine Geschichte wahr ist. Wenn Sie alle mir nicht glauben, so ist das Ihre Sache, dafür wird Sie aber die ganze Schwere der Verantwortung treffen – wenn es auch in acht Wochen niemand mehr geben wird, der Sie anklagen kann.“
Rogers lehnte sich zurück und lächelte kalt.
„Also gut, Fabian. Sie wollen es nicht anders. Sie weigern sich also, mir Harrisons Versteck mitzuteilen? Diese Farm, zu der Sie uns damals schickten, ist es also nicht? Natürlich ist sie es nicht, das weiß ich heute auch. Ich könnte Sie jetzt festnehmen lassen, aber das werde ich nicht tun. Wir haben bessere Methoden als wochenlange Verhöre. Sie sind frei, Fabian. Sie können gehen, wohin Sie wollen.“ Er deutete zur Tür. „Unsere Unterredung ist beendet.“
Fabian nahm seine drei Zeichnungen, faltete, sie zusammen und schob sie in die Tasche. Langsam stand er auf.
„Ist das Ihr letztes Wort?“
Rogers nickte. Seine rechte Hand lag wie zufällig dicht neben dem Telefon.
Fabian bemerkte es und begriff, welche Rogers Methode sein würde.
Er lächelte kühl, verneigte sich leicht in Richtung des Generals und schritt zur Tür. Draußen auf dem Gang zögerte er einen Augenblick, aber dann zuckte er die Schultern. Die Tür zum Büro Rogers’ war schalldicht, aber er war fest davon überzeugt, daß der Chef der Abwehr bereits in dieser Sekunde seine Anweisungen gab. Die Spürhunde würden sich auf seine, Fabians, Fährte konzentrieren, sie würden ihn Tag und Nacht nicht aus den Augen lassen.
Bis er ihnen den Weg zu Harrison gezeigt hatte.
Ungehindert konnte er das Gebäude verlassen. Draußen auf den Straßen flutete der mittägliche Verkehr. Es war heiß in den engen Straßenschluchten der Hauptstadt Nevadas. Langsam ging Fabian zu seinem Wagen und stieg ein. Er blieb noch eine Weile geparkt stehen und beobachtete das Hauptquartier der Abwehr, aber er sah niemand, der ihm folgte. Nun, sie wußten ja, in welchem Hotel er wohnte und würden vorsichtig zu Werke gehen. Wahrscheinlich war auch die Polizei bereits verständigt. Unbemerkt konnte er die Stadt nicht verlassen. Unsichtbare Augen bewachten jeden seiner Schritte.
Aber Fabian hatte in den vergangenen Monaten gelernt. Er würde so tun, als ahne er nichts von der Überwachung. Sollten sie nur hinter ihm herfahren, zu Harrisons Farm würde er sie auf keinen Fall bringen. Da konnten sie lange warten. Es gab einen viel besseren Weg, mit Harrison in Verbindung zu treten.
So kam es, daß Fabian die folgende Nacht noch im Hotel verbrachte und am anderen Vormittag ganz offiziell und scheinbar in bester Laune seine Koffer packte, seine Rechnung beglich und sich in seinen Wagen setzte, um Carson City auf der östlichen Ausfallstraße zu verlassen.
Die Tatsache, daß ihm ein offener Wagen mit einem älteren Ehepaar hartnäckig folgte, schien ihn nicht im geringsten zu beunruhigen.
7.
Fabian nahm sich Zeit.
In den frühen Abendstunden hielt er bei einem kleinen Motel und nahm sich ein Zimmer für die Nacht. Später, im Speisesaal, beobachtete er auch das Ehepaar aus Carson City. Er war natürlich davon überzeugt, daß es kein richtiges Ehepaar, sondern zwei Agenten waren. Ob sie ein Doppelzimmer genommen hatten, dachte er flüchtig. Er beneidete den Agenten keineswegs, denn seine Kollegin war mindestens zehn Jahre älter als er.
Er verbrachte eine ruhige Nacht, frühstückte am nächsten Morgen ausgiebig und fuhr weiter. Getreulich folgten ihm seine Schatten.
Als er einige Stunden später die Einmündung des Weges passierte, der zu Harrisons Farm führte, fuhr er gleichmütig daran vorbei. Wenn seine Bewacher in dieser Gegend stille Hoffnungen gehegt hatten, so würden diese nun bitter enttäuscht werden. Aber Fabian hatte längst bemerkt, daß hoch über ihm im Blau des
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