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TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

Titel: TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. Sprague de Camp
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Solidi!“
    Padway wehrte ab: „Ich suche keine Vase, mein lieber Mann. Ich möchte ein paar kleine Glasstücke, die besonders …“
    „Perlen? Natürlich. Seht!“
    „Keine Perlen …“
    „Dann einen Becher! Hier ist einer.“
    „Verdammt!“ schrie Padway. „Willst du jetzt zuhören?“
    Als Andronicus Padway endlich seine Wünsche erklären ließ, sagte der Neapolitaner:
    „Natürlich! Ich habe solche Ornamente gesehen. Ich habe sie bis übermorgen fertig.“
    „Das ist unmöglich“, erklärte Padway. „Sie müssen eine genau sphärische Oberfläche haben. Du mußt eine Konkavfläche gegen eine Konvexfläche schleifen. Wie sagt ihr hier für Schmirgel? Das Zeug, das man zum Schleifen benutzt?“
     
    *
     
    Als sie schließlich nach einer Woche nach Rom zurückreisten, hatte Padway ein Dutzend Linsen, die Hälfte davon plankonvex, die andere Hälfte plankonkav. Er war sehr skeptisch, ob es ihnen gelingen würde, ein Teleskop herzustellen, nachdem er ein Linsenpaar vor das Auge gehalten und die Entfernung abgeschätzt hatte. Aber es funktionierte.
    Als praktischste Kombination erwies sich eine Konkavlinse als Okular mit einer Konvexlinse, die etwa dreißig Zoll davorstand. Das Glas hatte Blasen, und das Bild war verzerrt. Aber Padways Teleskop, so primitiv es auch war, erlaubte immerhin, die Zahl der erforderlichen Signaltürme auf die Hälfte zu reduzieren.

 
6.
     
    Junianus, der Bauleiter der römischen Telegraphengesellschaft, kam keuchend in Padways Büro gerannt. Er sagte:
    „Die Arbeit am dritten Turm der Neapellinie ist heute morgen durch eine Gruppe Soldaten aus der römischen Garnison aufgehalten worden. Ich fragte sie, was denn los sei, und sie sagten, sie wüßten es nicht; sie hätten nur Anweisung, den Bau einzustellen. Was wirst du, verehrter Meister, dagegen unternehmen?“
    Die Goten machten also Schwierigkeiten? Das hieß, daß man mit ihren oberen Instanzen verhandeln mußte. Padway zuckte unwillkürlich bei dem Gedanken zusammen, sich mehr auf die Politik einlassen zu müssen. Dann seufzte er: „Ich werde wohl mit Liuderis sprechen müssen.“
     
    *
     
    Der Kommandeur der römischen Garnison war ein großer Gote, mit dem buschigsten weißen Schnurrbart, den Padway je gesehen hatte. Sein Latein war passabel. Hin und wieder freilich blickte er mit seinen wasserblauen Augen zur Decke und bewegte stumm die Lippen, als bete er; in Wirklichkeit prüfte er wahrscheinlich eine Deklination oder eine Konjugation, um die richtige Endung zu finden.
    Er sagte:
    „Mein guter Martinus, wir befinden uns im Krieg. Du baust diese geheimnisvollen Türme, ohne unsere Genehmigung zu erbitten. Einige deiner Hintermänner sind Patrizier, die für ihre progriechischen Gefühle bekannt sind. Was sollen wir glauben? Du solltest dich glücklich preisen, daß man dich nicht verhaftet hat.“
    Padway protestierte:
    „Ich hatte gehofft, das Militär würde meine Türme nützlich finden, um militärische Nachrichten zu übermitteln.“
    Liuderis zuckte die Achseln.
    „Ich bin nur ein einfacher Soldat und tue meine Pflicht. Ich verstehe nichts von diesen Geräten. Vielleicht funktionieren sie, wie du sagst, aber ich kann nicht die Verantwortung dafür übernehmen, daß sie weitergebaut werden.“
    „Dann wirst du deinen Befehl nicht zurückziehen?“
    „Nein. Wenn du eine Genehmigung willst, mußt du mit dem König sprechen.“
    „Aber mein lieber Herr, ich habe doch nicht die Zeit, nach Ravenna zu reisen!“
    Wieder ein Achselzucken. „Das ist mir egal, mein guter Martinus.“
    So kam es, daß sich Padway – ganz gegen seine Wünsche – am nächsten Tag auf den Weg machte. Fritharik begleitete ihn wieder.
    In der Abenddämmerung des vierten Tages ritten sie in Ravenna ein. Die Stadt beherrschte die dreißig Meilen lange Straße, die die Adria von den Sumpflagunen im Westen trennte. Ein schwacher Sonnenstrahl glitzerte in den vergoldeten Kirchkuppeln. Die Kirchenglocken dröhnten, und die Frösche in den Lagunen verstummten, um dann erneut ihr Quaken zu beginnen. Padway dachte, daß jedermann, der diese Stadt jemals besucht hatte, diese Lautkulisse aus dem Dröhnen der Glocken, dem Krächzen der Frösche und dem dünnen hellen Summen der Moskitos immer im Gedächtnis behalten würde.
     
    *
     
    Padway vermutete, daß der Hofmarschall bereits mit einem boshaften Grinsen auf die Welt gekommen war.
    „Mein guter Mann“, sagte dieser wichtige Würdenträger, „ich kann dir für die nächsten drei

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