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TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

Titel: TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. Sprague de Camp
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durfte man keinen Vorwurf machen; es würde übernatürlicher Seherkünste bedürfen, alles das vorherzusagen. Besaß er, Padway, aber nicht solche Seherkünste? Lag es also nicht bei ihm, etwas zu unternehmen?
    Padway empfand weder für die Goten noch für die Griechen Sympathie. Während die einen faul und unwissend waren, waren die anderen käuflich und habgierig. Und doch kam eine dieser beiden Parteien nur als Herrscher in Frage. Der Italer des sechsten Jahrhunderts war hoffnungslos unmilitärisch und konnte nicht auf seinen zwei Füßen stehen. Dieser Tatsache mit allen ihren Konsequenzen war sich Padway voll bewußt.
    Insgesamt betrachtet, hatte das gotische Regime keine schlechte Auswirkung. Die Goten zwangen einem Volk Toleranz auf, dessen Vorstellung von religiöser Freiheit darin bestand, die Mitglieder anderer Konfessionen zu hängen, zu ersäufen oder zu verbrennen. Und die Goten betrachteten die Halbinsel als ein Heim, das man schützen und verteidigen mußte. Das war eine wesentlich wohlwollendere Haltung als man sie von einem Wilden wie dem Merowingermonarchen Theudebert von Australien oder von einem unersättlichen Raffer wie Justinians Generalquartiermeister Johannes von Cappadocien erwarten konnte.
    Wie also, wenn er, Padway, sich entschied, auf einen schnellen Sieg der Goten anstatt der Kaiserlichen hinzuarbeiten? Wie konnte man das gotische Regime unterstützen? Es hatte keinen Sinn, wenn er versuchte, die Goten dazu zu überreden, Wittiges wieder zu verstoßen. Wenn der gotische König, wer auch immer er war, dazu gebracht werden konnte, Padways Ratschläge anzunehmen, ließ sich vielleicht etwas tun. Aber der alte Thiudahad, so wertlos wie er auch an sich sein mochte, würde sich vielleicht lenken lassen.
    Ein Plan begann in Padways Gedanken Gestalt anzunehmen. Wenn er nur Tomasus aufgetragen hätte, sich zu beeilen!
    Als Tomasus wieder erschien, erklärte ihm Padway:
    „Ich brauche ein paar Pfund Schwefel, vermischt mit Olivenöl, und einige Kerzen, ferner vierzig Fuß leichtes Seil, kräftig genug, um einen Mann zu tragen. Ob du es glaubst oder nicht, ich habe diese Idee von der trefflichen Julia. Erinnerst du dich, wie sie sich aufregte, als ich das Haus ausräucherte?“
    „Hör zu, Martinus, du bist hier im Augenblick völlig sicher. Weshalb bleibst du nicht einfach hier, anstatt irgendwelche verrückte Fluchtpläne zu schmieden?“
    „Oh, ich habe meine Gründe. Nach dem, was ich gehört habe, sollte die Versammlung heute oder morgen zu Ende gehen, und ich muß vorher hier verschwinden.“
    „Aber wie in aller Welt soll ich diese Dinge hereinschmuggeln? Die Posten passen gut auf.“
    „Lege die Schwefelpaste in einen Korb und schichte Lebensmittel darüber. Wenn man ihn öffnet, sagst du einfach, es sei etwas, was mein Arzt bestellt hätte. Am besten sagst du Vekkos Bescheid, daß er mich unterstützt. Und was das Seil betrifft, so gehe zu meinem Schneider und beschaffe dir einen grünen Umhang wie den, den ich hier trage. Lasse den Schneider das Seil innen leicht an den Rand heften, damit man es schnell herausreißen kann. Und wenn du dann kommst, dann lege deinen Umhang neben den meinen und ziehe den meinen an, wenn du wieder gehst.“
    „Martinus, das ist ein verrückter Plan. Man wird mich bestimmt erwischen, und was wird dann aus meiner Familie? Nein, du solltest tun, was ich sage. Ich kann einfach nicht das Leben von Unschuldigen aufs Spiel setzen. Weshalb soll ich denn mit dem Seil und diesen anderen Dingen kommen?“
     
    *
     
    Padway saß im hellen Licht der Morgensonne auf der Aureliansmauer und beobachtete die Posten und den kleinen Stapel mit seinen Habseligkeiten. Er fragte sich, wann die Kerze, die in dem Essenskorb versteckt war, bis auf die Schwefelpaste heruntergebrannt sein würde. Er hatte an diesem Morgen ziemliche Schwierigkeiten gehabt, sein Feuer, auf dem er sich sein Frühstück wärmte, in Gang zu bekommen. In Wirklichkeit hatte er seine kleine „Höllenmaschine“ in Gang gebracht. Er mußte auch unwillkürlich immer wieder zu den Soldaten auf der anderen Flußseite hinübersehen und zu dem mit Lilien bedeckten Tümpel dahinter.
     
    *
     
    Unten im Lager hustete ein Gefangener, dann ein anderer. Jetzt husteten sie alle. Gesprächsfetzen flogen zu ihm herauf:
    „Was zum Teufel, das sind bestimmt die Gerbereien … Das kann nicht sein, die sind zwei oder drei Meilen von hier entfernt … Das ist brennender Schwefel. Bei allen Heiligen, vielleicht will uns

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