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TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

Titel: TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. Sprague de Camp
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es ist einfach notwendig. Und am Ende stehen Dinge wie der Telegraph und die Zeitungen. In hundert Jahren wird sich vielleicht kein Mensch mehr an meine militärischen und politischen Maßnahmen erinnern, aber diese anderen Dinge werden den Lauf der Geschichte ändern – hoffe ich wenigstens.“
     
    *
     
    Vierzehn Tage darauf befand er sich wieder in Ravenna, wo er die Bekanntschaft von Urias, dem Neffen von Wittiges, machte. Urias war groß und dunkel wie sein Onkel. Zuerst machte er aus seiner Abneigung für Padway kein Hehl.
    „Nun, Martinus, nachdem Ihr meinem Onkel mit Euren Tricks den Thron geraubt habt – was werdet Ihr jetzt mit mir anfangen?“
    „Gar nichts“, sagte Padway. „Es sei denn, Ihr zwingt mich dazu.“
    Im Laufe des Gesprächs gelang es Padway, Urias dazu zu überreden, in seine Dienste zu treten.
    „Ich hatte daran gedacht, eine Militärschule für gotische Offiziere einzurichten, so ähnlich wie bei den Byzantinern. Ihr solltet die Leitung übernehmen.“
    „Was? Oh, ich hatte gehofft, ein Kommando an der Grenze zu bekommen.“
    Padway dachte, ich bin also nicht der einzige, dem Ravenna nicht gefällt. „Nein, das hier ist viel wichtiger. Ich selbst kann die Schule nicht übernehmen, weil die Goten nie glauben würden, daß jemand etwas von Kriegskunst versteht, der kein Gote ist. Andererseits brauche ich einen tüchtigen Mann, um die Schule zu leiten, und da seid Ihr der einzige, der in Frage kommt.“
    „Aber Martinus, habt ihr je versucht, einen gotischen Offizier etwas zu lehren? Ich gebe ja zu, daß eine solche Akademie gebraucht wird, aber …“
    „Ich weiß, ich weiß. Die meisten können weder lesen noch schreiben, dafür sehen sie auf die herab, die es können. Deshalb habe ich Euch für den Posten ausgesucht. Euch respektiert man, und wenn jemand Eure Landsleute zur Vernunft bringen kann, dann seid Ihr das.“ Er lächelte. „Ich hätte mich nicht so um Euch bemüht, wenn ich irgendeinen alltäglichen Posten zu vergeben gehabt hätte.“
    „Danke. Ich sehe schon, Ihr wißt, wie man die Leute dazu bringt, für Euch zu arbeiten.“
    Padway weihte Urias in einige seiner Gedanken ein. Er wies darauf hin, daß die große Schwäche der Goten darin bestand, daß sie einfach die Taktik ihrer Lanzenreiter und ihrer Bogenschützen zu Fuß nicht koordinieren konnten; daß sie dringend berittene Bogenschützen und Lanzenträger zu Fuß brauchten, um ihre Streitkräfte abzurunden. Dann beschrieb er ihm die Armbrust und einige andere Kriegsgeräte. Er meinte:
    „Es dauert fünf Jahre, einen guten Bogenschützen auszubilden, während ein Rekrut in ein paar Wochen lernen kann, mit einer Annbrust umzugehen.
    Und wenn ich ein paar gute Metallbearbeiter finde, werde ich Euch eine Rüstung zeigen, die nur halb soviel wiegt wie diese Kettenhemden und trotzdem besseren Schutz gewährt und dem Träger ebensoviel Bewegungsfreiheit läßt.“ Er grinste. „Die konservativen Goten werden natürlich über diese neumodischen Ideen murren. Ihr solltet sie daher stufenweise einführen. Und vergeßt nicht – das sind Eure Ideen; Ihr sollt das Lob dafür einheimsen.“
    „Ich verstehe“, gab Urias grinsend zurück. „Wenn jemand dafür gehenkt wird, dann werde ich das sein und nicht Ihr. Das ist genauso wie dieses revolutionäre Buch über Astronomie, das unter Thiudahads Namen erschien. Alle Kirchenleute von hier bis Persien sind wütend. Der arme alte Thiudahad muß dafür büßen, aber ich weiß genau, daß Ihr ihm die Sache eingeredet habt. Aber meinetwegen, Martinus. Ich bin einverstanden.“
    Padway selbst war erstaunt, als Urias ein paar Tage später mit einer äußerst respektablen Armbrust ankam. Obwohl er Zeichnungen dafür geliefert hatte, wußte er doch aus eigener Erfahrung, wie schwierig es war, einen Handwerker des sechsten Jahrhunderts dazu zu bewegen, etwas zu bauen, was er noch nie gesehen hatte.
     
    *
     
    Padway war schon lange davon überzeugt, daß Thiudahad nur beschränkt zurechnungsfähig war. In letzter Zeit aber zeigte der kleine König besonders deutliche Zeichen geistiger Schwäche. So zum Beispiel, als Padway mit ihm über ein neues Erbschaftsgesetz sprach. Thiudahad ließ sich ausführlich die Gründe erklären, die den Königlichen Rat und Cassiodorus zu der Meinung gebracht hatten, daß es gut sei, das gotische Gesetz dem römischen mehr anzugleichen.
    Dann sagte er: „Wann wirst du wieder ein Buch unter meinem Namen herausbringen, Martinus? Du heißt doch

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