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TS 99: Exil auf Centaurus

TS 99: Exil auf Centaurus

Titel: TS 99: Exil auf Centaurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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Heftpflaster?“
    „Eine Schachtel mit Bandagen steht im Arzneien-Schrank“, schlug sie vor.
    „Die taugen leider nicht.“ Er öffnete die Waschraumtür, und sie trat hastig zurück. „Ich glaube, ich habe eine gebrochene Rippe.“
    „Oh! O Gott!“
    Ihre theatralischen Reaktionen kamen ihm verdächtig vor. Was würde sie unternehmen? Ihn einige Zeit hierbehalten und dann gegen eine Belohnung ausliefern?
    Ihre Augen leuchteten auf. „Ich werde in die Drogerie gehen und welches kaufen! Sie ist gar nicht weit weg.“
    „Nein!“ kam es automatisch und heftig aus ihm heraus. „Sie werden –“ Er unterbrach sich. „Haben Sie ein Isolierband?“
    „O ja! Das ist nämlich ein sehr altes Gebäude. Sie werden es bald abreißen. Die Rohre sind ständig undicht. Ich hole es.“
    „Danke.“ In diesem Augenblick wollte er sie auf keinen Fall daran erinnern, daß sie sich in einer gesetzeswidrigen Lage befand. Man würde natürlich die Drogerien nach Käufern von Verbandzeug befragen; sicherlich hatten sie Blutspuren im Autowrack gefunden.
    Die Frau ging schnell fort, noch ehe er sich im klaren war, ob er sie überhaupt aus seinem Blickfeld lassen durfte.
    Sobald sie gegangen war, fühlte er sich wieder allein. In diesem muffigen, kleinen Raum, in dem man ihn ohne weiteres hätte niederschießen können, wurde ihm bewußt, daß sein Leben von einer Frau abhing, die vollkommen unzuverlässig war und die außerhalb seiner Kontrolle stand.
    Der Gedanke erschreckte ihn nicht. Er war nur entrüstet: über den Zustand der Welt, in der ein Leben Laune und Hysterie preisgegeben war, in der Lügen Leben retten und Wahrheiten Leben zerstören konnten.
    Die Frau klopfte wieder zaghaft an der Tür. „Ich – ich habe es gefunden. Sind Sie noch da?“
    „Ja.“ Er öffnete die Tür und nahm das Band. „Würden Sie mir bitte helfen?“ Er hob die Arme und sie begann schüchtern, das Band fest um seine bläuliche Brust zu wickeln, während er sich langsam drehte.
    Da es wichtig für ihn war, diese Person so gut wie möglich zu kennen, studierte er sorgfältig ihr Gesicht. Er sah einen zu symmetrischen Rougefleck auf jeder Wange, den Lippenstift auf den welken Lippen, Puder über der trockenen, runzeligen Haut. Ihr Haar war bläulich getönt worden, und das überraschte ihn. Aber nachdem alles andere an ihr sorgfältig konventionell aussah, nahm er an, daß dies wahrscheinlich bei den Frauen auf der Erde üblich war.
    Sie waren ja jetzt abhängig voneinander. Aber er war besser ausgerüstet, vor der feindlichen Gerechtigkeit zu fliehen als sie. Deshalb fühlte er sich für sie verantwortlich.
    Während dieser ganzen Zeit hatte er sich ständig langsam gedreht und sie betrachtet, wenn er ihr zugewandt stand. Nie hatte er bemerkt, daß sie ihn angeschaut hätte. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt seinen Quetschungen: sie tat übertrieben schreckerfüllt, wie in einem billigen Drama. Er überlegte, ob in einem Winkel ihrer Gedanken nicht die Vorstellung einer versteckten Kamera nistete, die jede ihrer Bewegungen aufnehmen könnte. Diese theatralischen Manieren verbargen fast zur Gänze die tatsächlich empfundene Übelkeit. Aber sicher tat sie das alles unbewußt.
    Das Band war aus. Er blieb stehen und preßte das letzte Ende nieder. Er spannte die Brust, um den Sitz des Isolierbandes zu prüfen. Seine Augen starrten noch immer auf die Frau, mit den Gedanken war er aber schon ganz woanders.
    Waren seine Schlußfolgerungen richtig, so wurde dieses Universum nicht logisch regiert. Wenn er „logisch“ zu sich sagte, so meinte er damit den Triumph des Rechtes über das Unrecht, die Belohnung von Treue und guten Taten, die Existenz wahrer Gerechtigkeit irgendwo in der Maschinerie des Universums. Einer Gerechtigkeit, die allen das gab, was sie verdienten.
    Er überlegte, wieso jene intelligenten, reifen Menschen die Vorstellung in ihm wach werden ließen, daß Erfolg ein vorbereiteter Lohn war und daß Gerechtigkeit den Zahnrädern irgendeines metaphysischen Verkaufsautomaten gleichkam, der, gespeist mit dem richtigen Betrag von Mut, Treue und Güte, die verdiente Belohnung auswerfen würde.
    Es fiel ihm nicht ein, daß ein geschlagenes Volk an die Wiederherstellung vergangener Herrlichkeiten glaubte, wenn schon nicht für sich selbst, so doch für seine Kinder. Die Menschheit wird nie „genug“ schreien, sondern auf die große Gegenrevolution von morgen warten, die sie schon hinter dem Horizont sieht, und die kommen muß, so sicher wie

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