TS 99: Exil auf Centaurus
vierhundert Jahren gelang es, die Reisezeit hierher von zehn Jahren auf fünf zu reduzieren. Das war aber auch schon alles. Sie arbeiteten gerade an Versuchen mit Ultratriebwerken, als die Feinde die Erde überschwemmten. Jetzt hatten sie ja das Richtige gefunden, aber zu spät. Centaurus war heute der Brennpunkt der Menschenrasse und die Erde nur ein Hinterland unter der Herrschaft einer sich ausbreitenden fremden Macht.
Sein Wagen brummte gleichmäßig vor sich hin, als er um die Ecke bog und vor dem Haus hielt, in dem Wireman wohnte. Während er sein Auto hinter der Limousine des Finanzministers Stanley parkte, sah er Verteidigungsminister Genovese in einem Taxi ankommen. Harmon überquerte die Straße und traf Genovese in der schäbigen Halle.
„Wie geht es Ihnen, John?“ fragte Harmon.
„Hallo, Tom. Gut, und Ihnen?“ Dann folgte der übliche Händedruck und leichte Konversation, während sie auf den Fahrstuhl warteten.
„Wie geht es Ihrer Frau, John?“
„Ausgezeichnet, Tom, ausgezeichnet.“
„Und die Geschäfte?“
„Könnten nicht besser gehen. Momentan bemühe ich mich um einen großen Auftrag. Wenn es gelingt, wird die Provision davon ausreichen, um Johnnie über die Schulzeit hinwegzubringen.“
„Nun, das sind erfreuliche Neuigkeiten. Hoffentlich bekommen Sie den Auftrag. Wohin werden Sie Johnnie geben? Ich hörte, die Universität hier sei sehr gut.“
„Ja. Aber er möchte nach KenLi, das ist in Areban, jene mit der guten Ingenieurschule. Das ist zwar schrecklich weit weg; er könnte nur zu Weihnachten und in den Sommerferien heimkommen. Aber wenn er unbedingt dorthin möchte … Er ist ja groß genug, um zu wissen, was er will. Natürlich, da ist noch ein Mädchen im Spiel, das die Kunstakademie dort besucht. Vielleicht war das ausschlaggebend für ihn.“ Genovese kicherte.
Sie stiegen in den Aufzug und fuhren zur Wohnung Präsident Wiremans. Der Gang war eng und schlecht beleuchtet. Genovese drückte die Klingel.
Harnes öffnete, machte die Tür weit auf und preßte sich an die Wand des schmalen Korridors, um sie vorbeizulassen.
„Herr Kanzler. Herr Verteidigungsminister. Die restlichen Mitglieder des Kabinetts sind bereits im Wohnzimmer. Präsident Wireman wird sofort kommen.“
„Danke, Harnes“, sagte Genovese und trat beiseite, um Harmon den Vortritt zu lassen. Immer, wenn sie hierherkamen, wirkte sich das plötzliche Gefühl von Würde auf ihre Manieren und Sprechweise aus. Sie gingen in das Wohnzimmer mit dem alten Teppich, der abgenützten Einrichtung und den schlecht gefederten Polstermöbeln.
Mein guter Takawara, dachte Harmon, als die Anwesenden sich von ihren Plätzen erhoben, um ihnen die Hände zu schütteln und Begrüßungsworte zu murmeln. Er hatte alle hier gern gehabt. Er war wirklich der beste meiner Assistenten. Was nur mit ihm geschehen sein mag, an jenem Tag, an dem alles durcheinanderging und wir uns mit knapper Not den Weg durch die feindlichen Raumschiffe erkämpfen konnten … ?
Wir waren alle so viel jünger damals. Wir waren so erleichtert, daß es wenigstens dem Präsidenten und seinem Kabinett gelungen war zu entkommen. Wir hätten auf die anderen gewartet, wenn es möglich gewesen wäre, aber wir dachten, wenigstens die wichtigsten Personen gerettet zu haben. Wir irrten uns. Wir ließen die einzigen von Bedeutung zurück, und das waren unsere Takawaras.
Stanley hatte ihm einen Platz auf der Couch reserviert. Harmon dankte. „Wie geht es Ihnen, Herr Minister?“ Stanley war ungefähr in seinem Alter und trug einen Anzug, der vielleicht etwas konservativer war, aber qualitätsmäßig seinem gleichkam. Sie hatten denselben Schneider, und Harmons Konto war auf der Bank, die Stanley leitete.
„Recht gut, danke, Herr Kanzler.“ Wenn sie sich normalerweise trafen, nannte Stanley ihn Tom. „Und Ihnen?“
„Auch ganz gut.“ Er schaute sich um und dachte darüber nach, daß diese Fragen „Wie geht es Ihnen?“ und so weiter mit der Zeit wirklich wörtlich und nicht als Höflichkeitsfloskeln zu nehmen waren. Da war Yellin, paradoxerweise Minister für Gesundheits- und Wohlfahrtswesen, der über seinen Stock gebeugt dasaß, mit rotgeränderten Augen ins Leere starrte, schäbige Kleidungsstücke und billige schwarze Schuhe anhatte. Neben ihm saß Duplessis, der sein Bruder hätte sein können – ein wenig jünger, ein wenig aktiver, aber wirklich nur ein wenig.
Harnes kam aus dem Korridor, der zum Schlafzimmer führte. „Meine Herren, der
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