Tschoklet
braucht dich. Du schluckst den Kloß runter und hilfst. Das ändert die Sichtweise. Und eines Tages findest du dich mit der Situation zurecht. Zack! Einfach so.«
»Und wer war das bei dir?«
»Mein Nachbar. Er hat mich eines Tages zum Barbecue eingeladen. Ich hatte ihn immer für einen Stinkstiefel gehalten. An dem Abend habe ich den Kloß runtergeschluckt und Abstand gefunden. Wir haben die ganze Nacht auf seiner Veranda gesessen und Bier getrunken und geredet. Das hatte mir gefehlt. Ich hatte vergessen, wie man lebt, Joey. Ich habe ihm meinen Hund geschenkt, als ich zur Army ging.« Er machte eine Pause. »Du, tust du mir einen Gefallen?«
»Ja klar, Tony.«
»Schreib deiner Mom und deinem Dad, was du gemacht hast. Dann wissen Sie, dass du lebst. Machst du das?«
Vickers atmete einige Male tief durch. Plötzlich schlug er sich mit den flachen Händen auf die Knie. »Anthony, du hast recht. Ich sollte ihnen schreiben. Ein paar Zeilen wenigstens.«
Roebuck wusste genau, dass es nicht nur ein paar Zeilen sein würden.
Joey stand auf und trat den Zigarettenstummel aus. Dann streckte er Roebuck die Hand hin. »Komm, lass uns die anderen wecken, sonst verschlafen sie den Tag!«
Kapitel 28
Die Blutung hatte wieder aufgehört, seit dem kurzen Schauer fühlte sich Chuck wesentlich besser. Er hatte seinen Mund weit gen Himmel geöffnet, sodass der kühle Regen seine Kehle etwas benetzte. Danach wrang er den Ärmel seines Pullovers aus, um weiteres Wasser zu erhalten. Das hatte er mal in einem Buch gelesen.
Der Typ aus dem Buch trieb nach dem Schiffbruch seines Segelbootes auf offener See auf einer Holzplanke, es regnete immer wieder und er hatte kein Gefäß dabei. Durch das Süßwasser aus seinem T-Shirt hatte er die drei Wochen auf See überlebt, bis er von einem Frachter aufgefischt wurde.
Der blaue Fleck unter der linken Brust tat höllisch weh, wenn er die Stelle berührte. Er raffte sich auf, erhob sich auf die Knie und kroch in der morgendlichen Dämmerung zurück zu dem Fahrrad, über welches er vor sechs Stunden gestürzt war. Es lag noch immer mit verdrehtem Lenker auf dem Fußweg. Chuck richtete es auf, lehnte es wieder an die Hauswand und zog sich daran hoch. Als er das rechte Bein vorsichtig über den Sattel schwang, merkte er wieder das Stechen in der linken Rippe. Vermutlich hatte er sie sich bei dem Sturz gebrochen. Vorsichtig und wackelnd setzte er sich auf den abgenutzten Ledersattel, gab mit dem Fuß etwas Schwung und rollte langsam Richtung Hirschstraße, immer Ausschau haltend nach den Polizeifahrzeugen, die ständig auf den Hauptverkehrsstraßen unterwegs waren.
Etwas wackelig radelte er langsam und bedächtig die stille Straße hinunter, nicht wissend, ob ihn an der nächsten Ecke jemand abfangen würde.
Das letzte Mal war er als Kind auf einem Fahrrad gesessen, war mit dem Rad seines Vaters zwischen den Autos auf der abschüssigen Straße Slalom gefahren. Lauter T-Modelle von Ford in verschiedenen Varianten. Mehr konnten sich die Leute nicht leisten. Es war auch so schon schwierig genug, in den kargen Vierzigern ein Jahresgehalt von dreitausendsechshundert Dollar nur für ein neues Auto hinzublättern.
Die ersten Sonnenstrahlen des Tages kitzelten ihn in der Nase, als er die Beiertheimer Allee überquerte. Wie ein Betrunkener schaukelte er auf dem altersschwachen Drahtesel hin und her, dabei fiel sein Blick in Richtung eines Busches, aus dem eine feine, gerade noch sichtbare Rauchsäule aufstieg. Überrascht und erschrocken stellte er bei genauerem Hinsehen fest, dass er in knapp zwanzig Metern Entfernung die amerikanischen Scouts mit ihren Fahrzeugen vor sich hatte. Von denen war allerdings noch niemand zu sehen. Gleichzeitig mit der Entdeckung kam auch wieder das Gefühl des Hasses in ihm auf. Mit pochendem Herzen lehnte er sein Fahrrad so leise wie möglich an eine Hausruine und sah sich dann fieberhaft suchend um. In Ermangelung einer Waffe musste er jetzt improvisieren und sich irgendetwas einfallen lassen, was Edwards und seine Männer würde aufhalten können. Schließlich entdeckte er ein stark verschmutztes Stromkabel, das vermutlich zu der ehemaligen Straßenbeleuchtung der Kreuzung gehörte und wie eine lange Schlange auf der von Trümmerresten verschmutzten Straße lag. Die auf halber Länge angebrachte Lampe war nur noch in Bruchstücken vorhanden.
Bei der näheren Betrachtung des Kabels und dem sich in der Nähe befindlichen Laternenpfahl fiel ihm die französische
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