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Tschoklet

Titel: Tschoklet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Pflug
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der ausgestreckten, unverletzten Hand gegen die Ecke des Hauses stieß. Er tastete sich nach links in die Einfahrt, hin zu dem hölzernen Tor, welches halb offen stand. Wieder zwängte er sich durch die Öffnung, wieder strahlte der Schmerz von seinem Arm in sein Gehirn und vernebelte die Sinne.
    Mit ausgedörrter Kehle und einem laut knurrenden Magen lief er auf der glücklicherweise von Mondschein unregelmäßig erhellten Straße. Nachdem sich seine Augen an das fahle Licht und die langen Schatten gewöhnt hatten, bemerkte er die mittig auf der Straße stehenden Bäume. Unter seinen Schuhen knirschte Trümmerschutt, der an anderer Stelle meterhoch auf dem Fußweg und der Straße lag.
    Einige Häuser der Yorckstraße fehlten und erinnerten ihn an die Zahnlücken seines neunjährigen Neffen Lincoln, der einmal aus Kentucky mit der Tante zu Besuch war. Es war ihm nie klar geworden, warum das arme Kind ausgerechnet den Namen eines Autos bekommen hatte. Roosevelts Präsidentenlimousine war auch ein Lincoln.
    Nach einem ehrenvollen Abschluss mit Auszeichnung an der Polizeischule im Fort Leonard Wood, Missouri, standen Chuck auf einmal alle Türen offen. Sein Vater war sehr stolz auf ihn gewesen. Die ganze Nachbarschaft hatte erfahren müssen, dass er die ehrenhafte Polizei-Akademie bestanden hatte und nächste Woche wieder nach Hause komme. Die alteingesessene Familie Harrison mit den ruhmreichen Ahnen aus dem Sezessionskrieg hatte einen neuen Helden. Sein Vater, selbst ein hochdekorierter Veteran der berittenen Infanterie, hatte diese dunkelblaue Gardeuniform mit den goldenen Knöpfen, dem weißen Ledergürtel, den weißen Handschuhen und die blaue Mütze mit dem weißen Schirm so sehr geliebt.
    Beim Militär in Mannheim hatte Chucks steile Laufbahn angehalten, die Offiziere waren begeistert und förderten ihn, wo sie konnten. Er hielt sich gern in den Kreisen der Generäle und Stabsoffiziere auf, was sein Vater durch die guten Beziehungen vorantrieb. Bis zu jenem Tag, an dem er beim Pokern seine gesamten Ersparnisse und den Monatssold verlor.
    Chuck hatte immer das Glück auf seiner Seite. An jenem Abend war es anders. Eine Herz Dame zum Full House hatte ihm das Genick gebrochen. Er brauchte jetzt Geld. Dringend. Der ganze Monat lag noch vor ihm. Und er war der Meinung, am nächsten Abend den Verlust wieder doppelt und dreifach zurückzugewinnen. Das Pokerspiel war bei der Army zwar streng verboten, wurde aber geduldet.
    Nach der Niederlage war er mit ein paar Freunden auf deren Rechnung noch im Offiziers-Casino gewesen. Sie trösteten ihn mit Alkohol. Und erzählten Geschichten. Eine war besonders interessant. In einer ehemaligen Schule in Mannheim lebten lauter DPs. Einige davon würden sich mit organisiertem Verbrechen das Leben versüßen. Bei Durchsuchungen hatte man letzte Woche große Bargeldsummen entdeckt und beschlagnahmt. Also lag es doch verdammt nahe, dass die DPs das Geld in ihrer Unterkunft versteckten. So reifte der Plan. Alles lief perfekt. Bis dieser verfluchte Offizier, Captain John Edwards, ihn beim Einbruch überraschte und Anzeige beim Kommandeur erstattete. Ausgerechnet bei dem Chef der Militärpolizei des Army Airfield Sandhofen, dem größten amerikanischen Stützpunkt weit und breit! Seinem persönlichen Mentor! Das verfluchte Messer!
    Der persönliche Niedergang war perfekt. Erst wurde er mit sofortiger Wirkung vom Staff Sergeant zum Corporal degradiert, die Erlaubnis zum Waffentragen eingezogen, sämtliche Orden und Ehrenzeichen aberkannt und das Schlimmste: zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Wie ein Stich ins Herz war es, als dies vor allen angetretenen Soldaten seiner Einheit verkündet wurde. Er konnte die stille Schadenfreude in allen Gesichtern lesen. Er war doch das »Söhnchen« des Generals, sein stiller Adjutant. Jetzt lachten sie über ihn. Lautes Lachen. Überall. Aber durch ein Versehen der Wachen gelang ihm nach einem Tag die Flucht aus dem Militärgefängnis. Und er schwor sich, es diesem Edwards heimzuzahlen, koste es, was es wolle. Dieser Bastard hatte ihn entehrt, seinen Namen und den seiner Familie in den Dreck gezogen!
    Jedes Mal, wenn er nur an diesen Moment der Verhaftung vor den Kameraden dachte, schäumte er vor Wut. Und er begann sie zu hassen, Edwards, seine Jungs, alle Scouts, die Bastarde, die mit ihm zu tun hatten. Er schmiedete einen teuflischen Plan …
    Edwards, eines Tages kriege ich dich!
    Chuck Harrison drückte sich vor Wut zitternd an die dunklen

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