Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention
Sedimentmengen abrutschten und sich dort meterdick ablagerten.
An der Nordküste der Insel Kreta lassen Sedimentablagerungen Tsunamis von 8 bis 12 Metern Auflaufhöhe erkennen. An der nordöstlichen Inselspitze dürften die Wellen durch Reflexion und Brechung bis zu 40 Meter erreicht haben. Vor Knossos strömte der Tsunami über die Küstenebene mehrere Kilometer ins Land hinein; in Tälern und Flussläufen wurde seine erosive Kraft noch verstärkt. Lange Zeit wurde spekuliert, ob die Tsunamis des Santorin-Ausbruchs, im Verbund mit den Erdbeben und dem Ascheregen, sogar zum Untergang der minoischen Hochkultur auf Kreta geführt haben. Mittlerweile ist erwiesen, dass die minoische Kultur erst mehrere Generationen später verschwand. Der Regen aus Asche und Bimsstein traf die Insel Kreta nicht so stark wie ursprünglich vermutet, und der Palast von Knossos – das Zentrum minoischer Macht – war schon rund hundert Jahre zuvor durch ein Erdbeben zerstört worden. Sein Folgebau stand 60 Meter über dem Meeresspiegel und war somit gegen die Tsunamis gefeit.
Dennoch dürften bereits die Minoische Eruption und ihre Tsunamis erheblich zur Schwächung der minoischen Macht beigetragen haben. Der Reichtum der Minoer basierte auf dem Seehandel; die Bevölkerung konzentrierte sich in den Küstenstädten. Die Tsunamis der Minoischen Eruption müssen die nördliche Küste verwüstet, einen großen Teil der Bevölkerung getötet und erhebliche Teile der Flotte zerstört haben. Einer Theorie zufolge könnte Kreta auch von pyroklastischen Strömen getroffen worden sein, die sich in hoher Geschwindigkeit über das Meer bewegten; freilich lässt sich nicht nachweisen, ob die heißen Gas-Gestein-Ströme auf dem Meer tatsächlich Entfernungen von über 100 Kilometern überwinden konnten. Vermutlich waren es die Tsunamis, die Kreta am empfindlichsten trafen. Und Akrotiri, Kretas wichtigster Handelsstützpunkt,war völlig zerstört. Zwar bestand die minoische Kultur noch bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts v. Chr., die Minoische Eruption muss jedoch auch für sie eine nachhaltige Katastrophe gewesen sein.
Es dauerte viele Jahrhunderte, bis die von Asche und Stein bedeckte Insel um den Santorin-Vulkan sich so weit erholte, dass hier wieder Pflanzen wuchsen und Menschen siedeln konnten. Die von Herodot und Pausanias erwähnten phönizischen Siedlungen lassen sich nicht nachweisen; erst für das 9. Jahrhundert v. Chr. ist eine Stadt der Dorer dokumentiert, die die Insel nach ihrem Anführer Theras benannten. Sie errichteten ihre Stadt Alt-Thera im Osten der Insel; Akrotiri lag vergessen unter meterdicken Schichten von Stein. Vielfach wurde in der Wissenschaft diskutiert, ob die Insel Santorini mit ihrer Katastrophe um 1620 v. Chr. den historische Kern von Platons Mythos des versunkenen Inselreiches Atlantis gebildet haben könnte: eine ringförmige Insel mit einer prächtigen Metropole auf einer Insel im Zentrum, die irgendwann in der Bronzezeit über Nacht im Meer versinkt. Platon beschreibt in seinen Dialogen
Kritias
und
Timaios
auch bunte Felsen und warme Quellen, wie sie sich ebenfalls auf Santorini finden. Die Spekulationen zu Atlantis gewannen mit der Ausgrabung der prachtvollen Häuser Akrotiris weiter an Beliebtheit.
Von den Menschen von Akrotiri aber fehlt bis heute jede Spur. An den Ausgrabungsstätten wurden keine Skelette und keine sonstigen Überreste gefunden. Die Einwohner wurden vom Asche- und Steinregen eindeutig nicht überrascht; sie konnten rechtzeitig fliehen. Auf den Nachbarinseln, die ja ebenfalls von der Minoischen Eruption schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden, lässt sich jedoch keine größere Einwanderung in der Zeit des Vulkanausbruchs nachweisen: Vermutlich wurden die Fliehenden von pyroklastischen Strömen eingeholt oder aber in ihren neuen Siedlungen an den Küsten der umliegenden Inseln von den Tsunamis getötet. Zurückgeblieben ist ihre durch Asche und Lava konservierte Stadt, deren farbenfrohe Fresken von einer blühenden bronzezeitlichen Kultur erzählen.
Das Beben vor Kreta im Jahre 365
Die erste genauere Beschreibung eines Tsunamis und seiner verheerenden Auswirkungen stammt von dem römischen Historiker Ammianus Marcellinus. Ammianus beendet das 26. Buch seiner
Res gestae
(veröffentlicht um 391–394 n. Chr.) mit einer dramatischen Schilderung des Tsunamis, der am 21. Juli 365 im östlichen Mittelmeerraum auf ein unterseeisches Erdbeben folgte:
Am 21. Juli 365 verbreitete sich
Weitere Kostenlose Bücher