Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention
zerschmetterte alles, was am Hafen und am Flussufer lag, drängte weit in die Bucht hinein und ließ den Fluss bis tief in die Stadt zu einer tödlichen Falle werden. Der Rückstrom der Welle riss Menschen und Treibgut hinaus in den Mündungsbereich und das offene Meer. Im Abstand von etwa einer Stunde überrollten zwei weitere Wellen die Stadt. Insgesamt rechnet man mit 30.000 bis 100.000 Todesopfern in Lissabon, allein der Tsunami dürfte rund 20.000 Menschen das Leben gekostet haben.
Der Tsunami konzentrierte sich freilich nicht allein auf Lissabon. Entlang der portugiesischen Küste richtete er verheerende Schäden an, mit Auflaufhöhen bis zu 30 Metern und landwärtiger Überflutung bis zu 2,5 Kilometern. Am stärksten wurde Südportugal getroffen. Nachdem hier schon das Erdbeben gewütet hatte, wurden nun gewaltige Küstenfestungen einfach niedergemacht und ganze Städte überflutet. Die mächtigen Mauern, die die Stadt Lagos 11 Meter über dem Meeresspiegel vor Angreifern schützten, halfen der Stadt gegen diese Naturgewalt nichts: Der Tsunami ging über sie hinweg.
In Südwestspanien traf der Tsunami die Hafenstädte Cádiz und Huelva mit einer Auflaufhöhe von 11 bis 20 Metern, er drängte den Fluss Guadalquivir hoch bis nach Sevilla, also rund 100 Kilometer ins Land hinein. Sedimentablagerungen lassen zudem erkennen, dass der Tsunami sich über den gesamten Atlantik bewegte. Auf den Azoren traf er mit einer Höhe von 15 Metern auf, an den Küsten der Westindischen Inseln erreichte er Auflaufhöhen zwischen 3 und 7 Metern. Aber auch an der Westküste Europas wurden Boote in den Häfen losgerissen, und im Ärmelkanal sanken Schiffe, die von plötzlichen hohen Wellen mitgerissen wurden. Resonanzeffekte wurden in Seen undKanälen bis hoch nach Schottland, Schweden und Finnland beobachtet.
Die Katastrophe schlug sich im kollektiven Gedächtnis der Westeuropäer nachhaltig nieder. Jahrelang wurde kontrovers diskutiert, ob sie nun als reines Naturereignis oder als Strafe Gottes zu deuten sei. Gegenüber der Physikotheologie, die die Existenz Gottes durch die Wunder der Schöpfung zu beweisen suchte, setzte sich zunehmend eine rationalistische naturwissenschaftliche Haltung durch, die die Natur unabhängig von göttlichem Einwirken betrachtet – nicht zuletzt, weil das Erdbeben und die anschließende Tsunamikatastrophe das Vertrauen in einen wohlwollend durch die Natur wirkenden Gott schwer erschüttert hatten. In zahllosen Predigten und Abhandlungen, gerade auch im protestantischen Deutschland, wurde die Theodizee-Frage neu diskutiert: Wie konnte Gott eine solche Katastrophe zulassen? Die großen Philosophen der Zeit, Voltaire, Rousseau, Kant und Lessing, führten die Diskussion mit philosophischen und literarischen Beiträgen an.
In Lissabon sorgte Premierminister Sebastião José de Carvalho e Melo (später zum Marquêz de Pombal ernannt) für ein geradezu modernes Krisenmanagement: Die zahllosen Toten mussten rasch beerdigt werden, viele von ihnen wurden – mit Sondergenehmigung des Bischofs – verbrannt, um Seuchen zu vermeiden. Aus Trümmersteinen errichtete man Notbacköfen für die hungernde Bevölkerung; die zahllosen obdachlos Gewordenen erhielten schützende Notquartiere. Vor allem aber leitete der Premierminister sofort den Wiederaufbau der zerstörten Stadt ein, mit einer umsichtigen, modernisierenden Planung: Die engen, feuer- und seucheanfälligen Stadtviertel wurden durch großzügige Straßen und offene Plätze ersetzt. Ein besonderes Verdienst des Staatsmanns lag in der systematischen Erhebung von Informationen über das Erdbeben. Im gesamten Land ließ er Fragebögen ausfüllen, auf denen die Einwohner Fragen zur Dauer des Bebens, zur Anzahl der Nachbeben, zu den seismischen Effekten, zu Besonderheiten in Brunnen und Gewässern und zum Verhalten der Tiere unmittelbar vor dem Beben beantworten mussten. Damit gilt der Marquêz de Pombalals Initiator der makroseismischen Erdbebenforschung. Leider konzentrierten sich die Fragebögen, die bis heute erhalten sind, nur auf das Erdbeben; die Eindrücke über den Tsunami wurden nicht festgehalten. Hier haben geologische Spuren die genauere Identifizierung der verheerenden Schäden an den umliegenden Küsten ermöglicht.
Der Ausbruch des Krakatau 1883
Die ersten Vorwarnungen kamen im Mai 1883. Rund um die Sundastraße, die Meerenge zwischen den indonesischen Inseln Sumatra und Java, bebte immer wieder die Erde. Am 20. Mai riss am Strand der
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