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Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention

Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention

Titel: Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Maria Koldau
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durchbrochen. Tontöpfe, Krüge, gestapelte Bettgestelle, zum Aufbruch bereit. An den Wänden der Häuser bunte Fresken, die vom Leben der Menschen erzählen, von den Tieren und Pflanzen der Umgebung, von Städten und Dörfern, Handwerkern und Hirten, von Handel, Seefahrt und Krieg. Doch die Menschen von Akrotiri sind verschwunden, als hätte es sie niemals gegeben. Kein Skelett, kein Fußabdruck ist zu finden.
    Sie sind alle geflohen: geflohen, als die Erde bebte und der Vulkan Feuer zu speien begann. Als Asche und Stein auf die Häuser und Straßen regneten, große Brocken niedergingen – als das Leben auf der ägäischen Insel Santorini unerträglich wurde. In der späten Bronzezeit, vor rund 3600 Jahren, kam es zur Katastrophe. Geologen haben mittlerweile festgestellt, dass sich der Santorin-Vulkanausbruch ungefähr um 1620 v. Chr. ereignete und zu den stärksten der Weltgeschichte zu rechnen ist; man vermutet, dass er die Stärke 6,9 oder sogar 7,1 auf dem Vulkanexplosivitätsindex (VEI) erreichte. Die gesamte Region um das östliche Mittelmeer bekam die Auswirkungen zu spüren: Auf dem Meeresgrund in der Ägäis, des Mittelmeers und des Schwarzen Meers wie auch im Nildelta haben sich Sedimente abgelagert, die auf den Vulkanausbruch und die Tsunamis, die er auslöste, zurückzuführen sind. Asche und Bimsstein des Santorin-Ausbruchs finden sich an den Küsten der umliegenden Inseln. Die Katastrophe hatte vielerlei Gesichter: Aschewolken, die die Atmosphäre auf Monate verdunkelten, todbringende pyroklastische Ströme, Gesteinslawinen und Lahare (Schlammströme), und auf der Meeresoberfläche ganze Teppiche von Bimsstein, die die Seefahrt blockierten. Zudem müssen in den verschiedenen Phasen der Eruption mehrere Tsunamis ausgelöst worden sein. Ihre Spuren sind auf verschiedenen ägäischen Inseln, an der Nordküste von Kreta, im östlichen und im zentralen Mittelmeer zu finden. Haben sie dazu beigetragen, dass die fliehenden Menschen aus Akrotiri zuletzt spurlos verschwunden sind?
    Akrotiri war eine wohlhabende Stadt im Süden der griechischen Insel Santorini (in der Antike wurde die Insel auch Kalliste, «die Schönste», Stronghyle, «die Runde», oder Thera, «die Wilde», genannt). 1967 wurden Reste der Stadt bei Ausgrabungen entdeckt und nach dem heutigen Dorf Akrotiri benannt, das in der Nähe der archäologischen Überreste liegt. Der Santorin-Ausbruch hat durch mehrere Meter dicke Ascheschichten ganze Straßenzüge, Plätze und Häuser mit reichem Freskenschmuck konserviert, sodass die Ausgrabungsstätte Einblick in ein wohlhabendes Handelszentrum in der ägäischen Bronzezeit gewährt. Hier wird eine Kultur sichtbar, die der minoischen Kultur auf der 120 Kilometer südlich gelegenen Insel Kreta nahestand, jedoch ihre eigenen Merkmale, nämlich die der Kykladenkultur, besaß. Der Handel spielte eine entscheidende Rolle für Akrotiri. Offensichtlich war die Insel, die selbst nur in geringem Maße für Landwirtschaft und Viehzucht geeignet ist, ein Zentrum der Veredelung in der Textilproduktion: Schafwolle wurde im Rohzustand importiert, gesponnen, zu Tuch gewebt, gefärbt und weiterverkauft. Die Lage der Insel machte sie zum idealen Handelsstützpunkt für die reiche minoische Kultur auf Kreta: Eine Tagesreise von Kreta entfernt, war Akrotiri vermutlich der erste Anlaufhafen für die kretischen Handelsschiffe und somit der zentrale Umschlagplatz für den Norden. In seiner Mischung aus kultureller Eigenheit und Annäherung an die dominante Kultur der kretischen Minoer steht Akrotiri in der Region einmalig da.
    Vermutlich lebten mehrere tausend Menschen in Akrotiri, als der Vulkanausbruch sich durch Erdbeben anzukündigen begann. Offenbar waren die Beben auf der damals fast ringförmigen Insel so heftig, dass die Menschen die Stadt verließen, dabei allerdings noch genügend Zeit hatten, Wertgegenstände und Schmuck mitzunehmen. Die Funde lassen darauf schließen, dass einige Einwohner nach den Erdbeben zurückkehrten und Vorratsgefäße und Möbel für den Abtransport herrichteten, gleichzeitig aber auch den Wiederaufbau der Stadt vorbereiteten.
    Doch dann begann der Ausbruch des Santorin-Vulkans. Erneut wurden diejenigen, die nach Akrotiri zurückgekehrt waren,noch rechtzeitig von der Natur gewarnt: Ein Niederschlag von relativ geringen Mengen an vulkanischen Aschen und kleinen Steinen brachte die letzten Einwohner dazu, die Stadt endgültig zu verlassen. Nach dieser Warnung herrschte einige Monate

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