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Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention

Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention

Titel: Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Maria Koldau
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unbewohnten Vulkaninsel Krakatau ein wahrer Höllenschlund auf; Fischer, die dort gerade Holz sammelten, flüchteten in heller Panik. Vom Vulkangipfel Rakata stieg eine gewaltige Wolke auf, kurz darauf ging auf die Umgebung feine Asche nieder. Die einheimische Bevölkerung war zutiefst beunruhigt, galt doch der Krakatau seit langem als erloschen. Nun schien der Berggott Orang Alijeh erwacht zu sein – und er war zornig. Die holländischen Kolonialherren gaben nichts auf den Aberglauben der Sundanesen. Sie zeichneten jedoch alle Beobachtungen akribisch auf. Ihnen verdanken wir die ersten detaillierten Berichte darüber, wie ein Vulkanausbruch vor sich geht – und was es bedeutet, von einem Tsunami erfasst zu werden.
    Nach den Beben und der hohen Aschewolke im Mai 1883 kam es im Sommer zu mehreren kleineren Ausbrüchen auf der unbewohnten Vulkaninsel. Dann aber kam der 26. August. Im Abstand von zehn Minuten hallten an diesem Sonntag gewaltige Explosionen über die Sundastraße; sie waren weit über die umliegenden Inseln zu hören. Eine dichte Wolke mit vulkanischem Gestein und Asche erhob sich 25 Kilometer über dem Krakatau. Die Explosionen lösten erste Tsunamis aus: Abends durchliefen Wellen mit einer Höhe von ein bis zwei Metern die Sundastraße und trafen auf die Städte Telok Betong, Tjiringin und Merak. An einigen Stellen stauten sie sich auf und richteten erste größere Zerstörungen an. Auf die umliegenden Küstengebieteging die ganze Nacht ein Ascheregen herab, glühend heißes Gestein, das etwa tausend Menschen erstickte und verbrannte.
    Frühmorgens, am 27. August um 5.28 Uhr, brachte eine gewaltige Explosion die Region zum Beben. Die Spitze des Perboewatan, eines der drei Vulkangipfel im Krakatau-Komplex, war explodiert. Blitzartig stürzte der Berg in sich zusammen, die Caldera füllte sich sofort mit Wasser. Der erste Tsunami raste über die Küsten. Um 6.36 Uhr explodierte die 500 Meter hohe Spitze des zweiten Vulkans. Auch hier drang nach dem Zusammenbruch der Magmakammer Seewasser in die Caldera ein: Der nächste Tsunami lief über die Sundastraße. Um 10.02 Uhr erschütterte dann der vermutlich lauteste Knall, der je von Menschen bezeugt wurde, die Region. Der letzte Gipfel der Vulkaninsel, Rakata, wurde durch eine unvorstellbare Explosion auseinandergerissen. In einem Umkreis von 150 Kilometern zersprangen die Fensterscheiben der Kolonialhäuser. Noch 4800 Kilometer entfernt, auf der Insel Rodriguez im Indischen Ozean, hörte man den Knall. Die Druckwelle der Explosion umrundete siebenmal die Erde. In einer einzigen Explosion wurden rund 10 Kubikkilometer Fels ausgestoßen, hinzu kamen bis zu 21 Kubikkilometer einer pyroklastischen Gas-Gestein-Mischung, die in todbringenden Strömen über das Wasser raste und noch 40 Kilometer entfernte Orte an der Küste Sumatras vernichtete. Feine Asche verbreitete sich über eine Fläche von 2,8 Millionen Quadratkilometern, die Atmosphäre füllte sich auf mehrere Jahre mit Staub. Künstler waren von den brillanten Farben am Himmel begeistert: Bei Sonnenuntergängen brach sich das Licht an den vulkanischen Partikeln in der Atmosphäre und sorgte in der nördlichen Hemisphäre über viele Monate für ungewöhnlich langes und intensives Abendrot. Für Landwirtschaft und Schifffahrt aber hatte der Ausbruch gravierende Folgen: Die Temperatur auf der nördlichen Halbkugel sank durch den Staub in der Atmosphäre merklich ab, und dicke Teppiche aus Bimsstein bedeckten noch monatelang das Meer um die Sundastraße.
    Die meisten Menschen an den Küsten von Sumatra und Javaverloren am Morgen des 27. August 1883 nicht durch den Ausbruch selbst ihr Leben, sondern durch die Tsunamis, die in insgesamt elf Wellen über die Sundastraße liefen. Schon bei den ersten beiden Explosionen verwüsteten Tsunamis mit Auflaufhöhen bis zu 42 Metern die gesamte Küste entlang der Sundastraße und drangen bis zu 5 Kilometer ins Land ein. Anyer, eine elegante kleine Kolonialstadt, wurde von einer 11 Meter hohen Welle zerstört. In Tjiringin raste eine Wasserwand von 23 Metern über die Häuser und Hütten. Ketimbang und Telok Betong wurden von 22 bis 23 Meter hohen Tsunamiwellen überspült. Über Merak aber erhob sich eine Welle von 40 Metern: Die Bucht hatte kanalisierende Wirkung und erhöhte den Tsunami fast auf das Dreifache. Mehrere holländische Familien hatten sich auf den Hügel hinter der Stadt geflüchtet, doch auch dort wurden sie von der Welle erfasst und

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