Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention
steilen Berghängen, einer geschlossenen, bis zu 220 Meter tiefen Bucht, häufigen starken Regenfällen und der Fairweather-Bruchlinie sozusagen ideal.
Tatsächlich sind im Zeitraum von 1853 bis 1958 in der Lituya Bay vier Megatsunamis belegt, die durch Hangrutschungen, teils in Verbindung mit Erdbeben, ausgelöst wurden. Die ersten drei hatten Wellenhöhen von bis zu 150 Metern. Der Tsunami von 1958 jedoch erreichte eine Maximalhöhe von 524 Metern – bis heute ist es der höchste bekannte Tsunami. Durch Berichte von Überlebenden und die anschließende Forschung ist er ausführlich belegt.
Es ist umstritten, wodurch genau am 9. Juli 1958 dieser Megatsunami ausgelöst wurde. Südalaska wurde an diesem Tag von einem starken Erdbeben entlang der Fairweather-Bruchlinie erschüttert; das Epizentrum befand sich nur 20,8 Kilometer von der Lituya Bay entfernt. In der Bucht kam es durch die Erschütterung zu einer gewaltigen Hangrutschung am nördlichenGilbert Inlet; möglicherweise traten der Zusammenbruch einer Gletscherfront und die plötzliche Entleerung eines unterirdischen Gletschersees hinzu. Auf jeden Fall war es eine Verkettung mehrerer Faktoren, die zum Megatsunami führte.
Der Gilbert Inlet am Ende der Lituya Bay. Die Hangrutschung erzeugte einen Wasserschwall, der den gegenüberliegenden Hang (Bildmitte) bis auf 524 Meter Höhe abrasierte.
Wesentlich war die Hangrutschung: Rund 30,5 Millionen Kubikmeter Fels stürzten von bis zu 900 Metern Höhe in das Nordende des Fjords. Der Aufschlag dieser enormen Felsmenge hatte den Effekt eines Meteoriteneinschlags auf dem Ozean: Er erzeugte eine gewaltige Welle, die mit einer Geschwindigkeit zwischen 156 und 209 Stundenkilometern in die lange Bucht hinausraste. Mindestens 25 Minuten lang liefen in der nahezu geschlossenen Bucht riesige Wellen hin und her.
Das Wasser, das durch die Hangrutschung mit einer enormen Energie verdrängt wurde, schlug als machtvoller Schwall am gegenüberliegenden Hang hoch und rasierte dort den Wald bis zueiner Höhe von 524 Metern ab. Die Tsunamiwelle, die anschließend vom Ausgangspunkt durch die Bucht raste, war jedoch bei weitem nicht so hoch: Am Nord- und Südufer hinterließ sie Spuren von maximal 207 Metern Höhe, die meisten Schäden reichten jedoch nur bis zur Höhe von 30 bis 70 Metern.
Drei Fischerboote ankerten am Abend des 9. Juli 1958 in der Lituya Bay. Am Südufer die Edrie mit dem Fischer Howard Ulrich und seinem kleinen Sohn Sonny, am Nordufer die Sunmore mit dem jungen Paar Orville und Micky Wagner sowie die Badger mit Bill und Vivian Swanson. Um 22.16 Uhr «brach die Hölle los», wie Howard Ulrich es im Versuch, seiner Frau eine letzte Nachricht zukommen zu lassen, in den Äther funkte. Das Erdbeben mit der Stärke 8 auf der Richterskala erschütterte große Teile Südalaskas. Knapp zwei Minuten später stürzte die gesamte Flanke eines Berges in den Gilbert Inlet. Ein ohrenbetäubender Krach erfüllte die Lituya Bay.
Bill Swanson, der auf seinem Boot überlebte, berichtete später Folgendes:
Die Berge wackelten entsetzlich, mit Lawinen aus Fels und Schnee. Was mir aber am stärksten auffiel, war der Gletscher, der nördliche Gletscher, den sie Lituya Gletscher nennen. Ich weiß, dass man den Gletscher normalerweise nicht von dem Ort aus sieht, an dem ich ankerte. Die Leute schütteln den Kopf, wenn ich ihnen erzähle, dass ich ihn in jener Nacht sah. […] Der Gletscher hatte sich in die Luft erhoben und nach vorne bewegt, dadurch war er zu sehen. Er muss sich mehrere hundert Fuß erhoben haben. Ich meine nicht, dass er einfach in der Luft hing. Er scheint solide zu sein, aber er hüpfte und schüttelte sich wie verrückt. […] Dann plötzlich fiel er zurück und war nicht mehr zu sehen, und eine große Wasserwand kam hervor. Die Welle kam direkt auf uns zu, und dann hatte ich zu viel zu tun, um sagen zu können, was da noch vor sich ging. (Nach: Francis E. Caldwell,
Land of the Ocean Mists
, 1986, S. 194)
Auf der anderen Seite des Ufers beobachtete Howard Ulrich, wie die gewaltige Wasserwand den Berghang über Hunderte von Höhenmetern verwüstete. Dann sah er, versteinert vor Schrecken und Faszination, wie eine 100 Meter hohe Welle dieCenotaph-Insel in der Mitte der Bucht erfasste. Auf sein Boot kam in rasendem Tempo eine Welle zu, noch immer fast 20 Meter hoch. Ulrich steuerte mitten in die Wasserwand: die einzige Chance, das Boot zu halten. Fast senkrecht stieg der Bug an – dann war der
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