Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention
unterseeischen Steilhängen der Malediven nahm der Tsunami wieder Geschwindigkeit auf. Seine Wellen liefen nun mit über 700 Stundenkilometern auf die afrikanische Küste zu. Hier breitete er sich, noch bis zu elf Stunden nach dem Beben, weit aus. Dadurch trafen die Wellen eine viel größere Küstenlinie, aber mit weit geringerer Wucht als die südasiatischen Staaten. Zumindest in Somalia aber hatte der Tsunami verheerende Auswirkungen: Zahlreiche Dörfer und Küstensiedlungen wurden von den Wellen zerstört, über 300 Menschen starben. 50.000 Menschen wurden obdachlos, und dies in einer vom Bürgerkrieg gezeichneten Region, in der Milizen und zerstörte Verkehrswege die humanitäre Hilfe erschweren.
Deutlich schwächer wurden Kenia und Tansania getroffen, wo es nur zu wenigen Todesfällen und relativ geringen Sachschäden kam. Die Küsten Mozambiques wurden durch Madagaskar von der schlimmsten Wucht abgeschirmt, doch machten die bis zu 10 Meter hohen Wellen rund 1000 Menschen obdachlos. Es dauerte sechzehn Stunden, bis der Tsunami Südafrika in Form eines plötzlichen starken Wasseranstiegs erreichte. In Port St. Johns ertranken dabei über zwanzig Menschen.
Unendlich viele Tote überall. Doch es geschahen, wie bei jeder Katastrophe, auch kleine Wunder. Ari Afrizal, ein 22-jähriger indonesischer Bauarbeiter, wurde vom Rückstrom ins Meer gerissen. 16 Tage lang trieb er auf dem Indischen Ozean: zunächst auf einer Tür, die er zu fassen bekam, dann auf einembreiten Balken, später entdeckte er ein verlassen treibendes Flachboot, dann sogar ein Rakit, ein indonesisches Fischerfloß mit Unterstand, auf dem er ein Fischernetz, Streichhölzer und drei Wasserflaschen fand. Aber die Fische blieben aus, nur mit Hilfe von treibenden Kokosnüssen überlebte der junge Mann. Nach über einer Woche kam endlich Regen. An Brust und Rücken bildeten sich in der tropischen Sonne juckende Geschwüre, später offene Wunden; Ari Afrizal begann zu fiebern. Und noch immer keine Rettung in Sicht. Am 6. Januar, nach elf Tagen auf dem offenen Meer, fuhr das erste Schiff an ihm vorbei – und bemerkte den verzweifelt Winkenden nicht. Am 9. Januar wurde Ari Afrizal endlich von einem Frachter gerettet und zurück nach Indonesien gebracht.
Auch Afrika hat seine – ein wenig kitschige – Wundergeschichte. Durch den Tsunami starben nicht nur Hunderttausende Männer, Frauen und Kinder: Auch die Tierwelt wurde schwer getroffen. In Kenia riss die Welle eine Gruppe von Nilpferden, die im Delta des Sabaki-Flusses badete, aufs Meer hinaus. Eine Mutter verlor dabei ihr Junges. Das nicht einmal einjährige Nilpferd starb jedoch nicht, sondern wurde nach einer einsamen Nacht auf dem Indischen Ozean südlich des Deltas bei Malindi an den Strand gespült. Wildhüter brachten das Nilpferd-Baby in den Haller-Park nach Mombasa, wo es sich – Liebe auf den ersten Blick – einer 130-jährigen männlichen Riesenschildkröte anschloss. Die beiden waren nach kürzester Zeit unzertrennlich: Das kleine Tsunami-Opfer hatte seine «Ersatzmutter» gefunden.
Soforthilfe und Wiederaufbau
Vielleicht brauchen wir solche Geschichten mit Happy End, aber sie waren eine seltene Ausnahme in den Tagen und Wochen nach dem 26. Dezember. Die Situation in den betroffenen Gebieten war verheerend; die Küstenstriche erinnerten an schwer verwüstete Kriegsgebiete. Vielerorts hatte der Tsunami die gesamte Infrastruktur zerstört, sodass Rettungs- und Hilfsmaßnahmen die Betroffenen nur verzögert erreichten. Vor allemfehlte es an frischem Wasser und Lebensmitteln – sowie an medizinischer Hilfe aller Art. Zehntausende von Toten in tropischem Klima bedeuteten akute Seuchengefahr. Der Notwendigkeit rascher Begräbnisse stand das Bedürfnis entgegen, die Toten zu identifizieren, um den Familien Gewissheit über den Verbleib ihrer vermissten Angehörigen zu geben.
Gleichzeitig kam es weltweit zu einer Spendenflut ungekannten Ausmaßes. Zwar wurden später nicht eingelöste Zusagen und wenig hilfreiche Maßnahmen zu Recht kritisiert, insgesamt aber spendeten Regierungen, Hilfsorganisationen, Firmen und Privatpersonen weltweit 14 Milliarden US-Dollar. Innerhalb kürzester Zeit trafen internationale Hilfsteams ein; die Regierungen der betroffenen Länder wurden von privater und öffentlicher Seite aus dem In- und Ausland unterstützt. Die Koordination der verschiedenen Hilfsorganisationen, insbesondere der zahlreichen privaten und halbprivaten Initiativen, bedeutete eine
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