Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention
Ostseite erreichte die erste Welle die Küsten als Wellental – es gab also eine natürliche Vorwarnung, den auffälligen Rückzug des Wassers. Doch nur die wenigsten verstanden das Warnzeichen, darunter japanische Touristen und Urvölker in Indonesien und Thailand, die das Phänomen aus der Überlieferung kannten. Andere dagegen liefen fasziniert auf den freiliegenden Meeresboden hinaus, Einheimische wie Touristen. Nach Westen aber ging ein Wellenberg voran: Der Teletsunami erreichte Sri Lanka und Indien ohne jegliches Warnzeichen.
Großen Einfluss hatte die Topographie des Meeresbodens. Unterseeische Gebirgszüge fokussierten und steuerten die Wellen, stauten sie auf und ließen sie anschließend wieder an Fahrt aufnehmen. Die Malediven bremsten den Tsunami nur leicht ab. Wegen der extrem steilen Unterwasserhänge der Inseln und Atolle staute er sich nicht stark auf, doch genügte seine Höhe von ein bis zwei Metern, um mehrere Atolle völlig zu überschwemmen. Sogar Afrika wurde umrundet. Im Osten dagegen wanderten Wellen über den Pazifik: Der Tsunami war auch an den Küsten Perus, Chiles und Mexikos durch mehrere Dezimeter hohe Wellen sichtbar. Der Indische Ozean schwang noch einen ganzen Tag lang nach.
Von der Bruchzone aus raste der Tsunami mit einer Geschwindigkeit von rund 640 Stundenkilometern auf die umliegenden Küsten zu. An der Nordwestspitze Sumatras erreichte er eine Auflaufhöhe von bis zu 35 Metern; das thailändische Urlaubsparadies Khao Lak wurde von über 10 Meter hohen Wellen verwüstet. Doch auch die niedrigeren Tsunamiwellen in Phuket, Sri Lanka und Indien waren tödlich: Nicht nur die Höhe und die Geschwindigkeit machten den Tsunami so gefährlich, sondern vor allem die unglaubliche Menge an Wasser, die nach allen Seiten über den Ozean raste, auf die Küsten traf, über lange Zeit ins Land strömte und alles mit sich riss.
Es hätte Warnmöglichkeiten gegeben. Doch es fehlte die Infrastrukturund vor allem die Erfahrung im Katastrophengebiet. Im Pacific Tsunami Warning Center (PTWC) auf Hawaii wurde das starke Erdbeben erfasst. Die erste Meldung, reine Routine, verzeichnete «keine Tsunamibedrohung gemäß historischer Daten über Erdbeben und Tsunamis». Nach Eingang weiterer Daten korrigierten die Wissenschaftler des PTWC die Magnitude des Bebens nach oben und ergänzten die Warnmeldung: «Es gibt die Möglichkeit eines Tsunamis in der Nähe des Epizentrums.» (Schnibben 2005, S. 69 und 74) Ihre zunehmend hektischen Versuche, Ansprechpartner im Katastrophengebiet zu erreichen, führten jedoch zu nichts. Es gab an den Küsten des Indischen Ozeans keine – und es war definitiv nicht der richtige Augenblick, die Gelben Seiten auf der Suche nach einem passenden Kontakt durchzublättern, schrieb ein Wissenschaftler später mit einer gewissen Erbitterung. Die Mitarbeiter des PTWC konnten die Ausbreitung des Tsunamis genau beobachten – und mussten hilflos zusehen, wie er auf die Küsten der Anrainerstaaten zulief.
Auch von den japanischen Messstationen wurde das Erdbeben erfasst; eine Warnung an andere Länder wurde jedoch nicht ausgegeben. In Australien informierte man routinemäßig die Botschaften in den gefährdeten Ländern – nicht aber deren Regierungen. Auch in Bangkok und in Colombo auf Sri Lanka wurde das Erdbeben registriert. Der Leiter des Erdbebenbüros in Bangkok begann, die vorschriftsmäßige Erdbebenwarnung an alle möglichen Regierungsstellen weiterzugeben – per Fax an eine ganze Liste von Nummern. Für die Prüfung des Maileingangs hatten die Angestellten daher keine Zeit, ansonsten hätten sie die warnende E-Mail gelesen, die vom PTWC aus Hawaii eingetroffen war. Nach 10 Uhr meldete Phuket die verheerende Welle, die seine Küste verwüstet hatte, telefonisch in die Hauptstadt – und doch wurden Provinzen nördlich von Phuket nicht gewarnt. Der Büroleiter in Bangkok vermutete übertriebene Panikmache, die ihn später in Schwierigkeiten bringen könnte. Erst um 11.19 Uhr ging endlich eine Warnmeldung heraus. Zu diesem Zeitpunkt aber waren die Strände von Khao Lak bereits zerstört. Auch am Meteorologischen Institut von Colombohatte man Angst vor einer grundlosen Panik; darum blieben die Küsten von Sri Lanka ungewarnt.
Aber selbst wenn, ist man versucht zu fragen, wie viele Menschen hätte eine Warnung gerettet? Die Staaten um den Indischen Ozean waren auf das Eintreten einer solchen Katastrophe in keiner Weise vorbereitet. Alarmsysteme und Evakuierungspläne
Weitere Kostenlose Bücher