Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
bist, so benimm dich auch als ein solcher. Stelle die Fuge bitte etwas lauter. Schließlich ist dein minderwertiges Kunstverständnis nicht entscheidend.«
    Mit einem leichten Lächeln sagte Grenelle:
    »Ich merke, daß Sie heute einen aggressiven Tag haben.«
    Nicholas drehte sich energisch um und meinte:
    »Ich bin einfach nicht mehr der alte – ich bin in einer Situation, die ich nicht mehr übersehen kann. Ich sollte Ihre merkwürdige Theorie eigentlich voll akzeptieren, kann es aber nicht. Sämtliche Vernunftgründe sprechen dagegen. Was würden Sie an meiner Stelle tun?«
    »Nichts«, sagte Grenelle ruhig, »ich würde mich freuen, daß ich auf Anhieb solch gute Bilder malen kann!«
    »Sie sagen das so einfach«, sagte Nicholas und schüttelte den Kopf.
    »Ich lebe auch schon seit rund zwanzig Jahren mit meinen Träumen auf sehr vertrauter Basis zusammen«, erwiderte Grenelle ernst.
    »Ich fühle dumpf«, murmelte Nicholas, »daß ich auf der Suche nach einer Lösung bin. Nach einem Knotenpunkt, von dem aus die Fäden nach allen Richtungen gehen. Auf der Suche nach der Quelle, aus der alles kommt. Werde ich sie finden können?« Er schwieg.
    »Wer weiß?« antwortete Grenelle. »Ich schlage aber vor, daß wir diese Diskussion entweder abbrechen oder vertagen. Ich bin mehr dafür, daß wir in die Caverne fahren. Mein Wagen steht unten.«
    »Das halte ich für eine ausgezeichnete Idee«, sagte William.
    »Gut!« stimmte Nicholas zu und holte seine Wildlederjacke aus dem Schrank.
    Sie gingen zusammen zum Lift, fuhren hinunter und stiegen in Grenelles Citroën. Nicholas setzte sich neben seinen bärtigen Freund und sah zum Fenster hinaus auf den spärlichen Verkehr. Es regnete. Die Läden waren noch beleuchtet, und die Fußgänger drückten sich an den Hauswänden entlang. Es war zehn Uhr abends.
    »Übertreiben Sie doch nicht«, sagte er.
    »Vermutlich werden Sie eines Tages sehr berühmt werden«, sagte Grenelle plötzlich. Nicholas drehte den Kopf zu ihm herum. Claudine und William hörten schweigend zu.
    »Eher glaube ich, daß ich eines Tages verrückt werde«, antwortete Nicholas trocken. Grenelle lachte kurz auf.
    »Keineswegs«, sagte Nicholas. »Ich habe den Eindruck, als ob ich eines Tages ein mehr als merkwürdiges Ende nehmen werde.«
    »Trinken Sie ein paar Gläser«, beruhigte ihn Grenelle, »und versuchen Sie, die Eindrücke zu vergessen. Es ist sinnlos, wenn Sie sich darüber Sorgen machen. Malen Sie Ihre guten Bilder, wenn Sie geträumt haben, aber machen Sie sich keine Gedanken mehr.«
    »Ich werde es versuchen«, antwortete Nicholas. »Ich denke jedenfalls augenblicklich daran, daß ich zusehen kann, wie ich wahnsinnig werde!«
    »Unsinn!« sagte Grenelle explosiv. »Sie werden nicht verrückt! Sehen Sie mich an, ich kenne die Sache bereits seit zwanzig Jahren. Und ich habe bisher noch keinen psychischen Schaden genommen.«
    Sie konnten zufällig genau vor der Toreinfahrt parken, von der aus es die Wendeltreppe in den Keller hinunterging. Nicholas und Claudine machten den Anfang, Grenelle und William Cherborg folgten. Heute war die Caverne wesentlich besser besucht; Grenelle bekam trotzdem an der Bar noch vier Plätze. Er bestellte drei Cola mit Rum und einen doppelten Whisky für William. Claudine ließ sich von Nicholas ihre Zigarette anzünden und hakte sich bei ihm ein.
    »Drei Tage lang haben wir uns nicht gesehen«, sagte sie, »was hast du alles gemacht in dieser Zeit?«
    Nicholas wartete mit der Antwort, bis die Studentin hinter der Theke die Gläser abgestellt hatte, prostete dann Grenelle und William zu und sagte:
    »Nicht sehr viel. Gearbeitet, gemalt und geschlafen.«
    »Du hast vorhin so merkwürdige Sachen erzählt – stimmt das alles?« fragte Claudine. Nicholas sagte:
    »Teilweise. Ich glaube zwar nicht, daß ich verrückt werde, aber es hatte den Anschein. Ich kann mir dies alles nicht erklären.«
    Claudine meinte leise:
    »Diese Höhlenmalerei – hast du sie auch geträumt?«
    »Natürlich. Das ist der Grund meiner Panik. Wäre es ein einmaliges Ereignis gewesen, hätte ich nie wieder daran gedacht. Aber so habe ich das Empfinden, es könne sich wiederholen. Und das wäre furchtbar.«
    »War dir auch so schlecht wie beim ersten Bild?«
    »Natürlich. Es war eine Art Dantescher Hölle. Es war, als arbeite jemand anderer durch meine Hände. Ist das schon Schizophrenie?«
    »Ich weiß nicht, ob es das ist«, antwortete Claudine. »Aber es trägt die Züge dieser

Weitere Kostenlose Bücher