TTB 102: Die Wächter der Sternstation
ertragen kann. Deshalb muß ich mich an andere um Hilfe wenden, wie ich mich an Sie wende, Yan!«
Wie betäubt wartete Yanderman auf die Worte, vor denen er sich im Innersten fürchtete. Und sie kamen.
»Kesford!« flüsterte der Herzog. Der blasse Sekretär sprang von seinem Stuhl auf und kam näher. Er mußte sich offensichtlich überwinden, um seinen Herren anzusehen.
»Kesford, du hast die Urkunde den Formalitäten entsprechend aufgesetzt; lies sie jetzt vor! Yan, hören Sie sich den Text an und wiederholen Sie ihn. Wiederholen Sie jedes Wort!« Der Herzog spannte die Muskeln an, als wolle er sich aufrichten, aber dazu war er bereits zu schwach. Schweißperlen rannen über seine Stirn und versickerten in der grünen Masse, die seine Augen bedeckte.
Kesford las mit eintöniger Stimme und legte nach jedem Satz eine Pause ein. »Ich, Jervis Yanderman, ergebener Untertan des Großherzogs Paul Manuel Victor von Esberg und seines Nachfolgers und Erben Victor Gort Fury von Esberg ...«
Yanderman wiederholte jeden Satz mit tiefem Ernst in der Stimme.
»... übernehme hiermit das Kommando über und die Verantwortung für das Heer der Stadt Esberg und alle von diesem Heer mitgeführten beweglichen Güter, die sich gegenwärtig in der Nähe der Stadt Lagwich am Rand der sogenannten Wüste befinden ...«
Yanderman fuhr sich an dieser Stelle mit dem Handrücken über die Stirn. Kesford las weiter: »Und übernehme es, das obenerwähnte Heer nach besten Kräften so zu führen, wie mein Herrscher es mir zu Lebzeiten befohlen haben mag.«
Yanderman schüttelte den Kopf. »Nein!« sagte er leise, aber bestimmt.
»Was?« Jetzt richtete der Herzog sich auf der Couch auf und wandte seinen schrecklich entstellten Kopf in die Richtung, aus der Yandermans Stimme zu ihm gedrungen war.
»Sir, ich ... ich kann das Heer unmöglich in die Wüste führen!«
»Sie müssen! Sie werden es tun!«
Yanderman trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Dabei fiel sein Blick auf den Sanitäter, der hinter dem Herzog stand. Sie müssen! Das las er in den Augen des Mannes. Sie bringen ihn um, wenn Sie es nicht tun!
Yanderman zögerte. Einerseits wollte er den Herzog nicht enttäuschen, aber andererseits mochte er kein Versprechen abgeben, das er später doch nicht halten würde. Er zögerte zu lange.
Während er noch seine Lüge formulierte, schrie der Herzog plötzlich auf. Er sank auf die Couch zurück und rang nach Luft. Seine Worte waren kaum zu verstehen.
»Schleppt ihn fort ... Verräter ... Yanderman ... hat mich angelogen. Verbrennt ihn ... Sein Name soll verdammt sein ... Zündet sein Haus an ... bringt mir einen ehrlichen Mann. Bin ich der Herzog oder ein Bettler? Verräter ... Schwächling ...«
Seine Tirade erstickte in einem Gurgeln. Yanderman beobachtete erstarrt, wie der Sanitäter ein langes scharfes Messer vom Tisch nahm.
»Ich bezeuge ...« Das war wieder Kesford, der seine Schreibunterlage umklammerte, als sei sie eine Planke auf stürmischer See. »Ich bezeuge, daß dies Ihre Pflicht ist, und bestätige den Willen des Herzogs.« Er wandte sich an Yanderman. »Sir, wollen Sie das, bitte, ebenfalls wiederholen!«
»Ich ... bezeuge, daß dies Ihre Pflicht ist, und bestätige den Willen des Herzogs!« Yanderman sah den Sanitäter an. »Besteht jetzt gar keine Hoffnung mehr?« fragte er mit zitternder Stimme.
»Ich habe Ampier sterben sehen«, antwortete der Mann und stieß mit dem Messer zu.
*
Mechanisch erledigte Yanderman die notwendig gewordenen Formalitäten; Kesford war ihm dabei behilflich und zählte sie der Reihe nach auf. Die Urlauber wurden aus der Stadt zurückgerufen, vor dem Zelt zog eine Ehrenwache auf, eine Kompanie sammelte Holz für die Verbrennung, der Zeitpunkt der Feuerbestattung wurde festgelegt, die Zimmermänner begannen mit der Herstellung des Sarges, die Schneider fertigten ein Leichentuch an – das nur über den toten Herzog gebreitet werden durfte, anstatt ihn zu umhüllen, weil die Sanitäter jede Berührung der Leiche streng untersagt hatten.
Dann folgte ein Vorbeimarsch der Offiziere, die ihrem ehemaligen Befehlshaber die letzte Ehre erwiesen. Bei dieser Gelegenheit flüsterten sie untereinander und versicherten sich gegenseitig, wie froh sie seien, daß der verrückte Plan des Herzogs jetzt keine Aussicht auf Verwirklichung mehr habe. Einige fanden es äußerst merkwürdig, daß Yanderman das Kommando erhalten hatte, was doch eigentlich dem ranghöchsten Offizier zugestanden
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