TTB 102: Die Wächter der Sternstation
plötzlich wieder die Angst, die er in Lagwich gekannt hatte, wenn ein Ding erwähnt wurde. Dann überwand er sich und betrachtete die Abdrücke.
»Vor dem hier brauchen wir uns nicht zu fürchten«, stellte er dann fest.
»Warum nicht?« fragte Yanderman überrascht.
»Das hier ist die Spur des Dings, das ich erlegt habe, bevor Stadham es mit in das Lager nahm, um es dort auszustellen«, sagte Conrad.
»Weißt du das bestimmt?« erkundigte sich Yanderman und fuhr dann fort, bevor Conrad antworten konnte. »Ich bezweifle keineswegs, daß du recht hast. Aber vielleicht gibt es noch mehr von der Sorte?«
»In der ganzen Geschichte von Lagwich ist es noch nicht einmal vorgekommen, daß ein Ding aus der Wüste gekommen ist, das einem anderen ähnlich sah«, beruhigte Conrad. »Das ist auch der Grund, weshalb die Weisen darauf bestanden, daß es sich um Teufel handeln müsse – denn welches Tier kann allein überleben, ohne daß andere existieren, mit denen eine Fortpflanzung möglich ist.« Er schüttelte verständnislos den Kopf. Dieses Problem würde ihn wohl noch lange beschäftigen.
»Dann brauchen wir uns also keine Sorgen mehr zu machen«, stimmte Yanderman zu. »Aber trotzdem werden wir nachts abwechselnd Wache halten.« Er kniff die Augen zusammen und sah zu den Felsen hinüber, die in einiger Entfernung aufragten.
»Wenn wir bis dort drüben am Bach entlanggehen, mußten wir eigentlich einen guten Platz zum Übernachten finden. Und morgen können wir geradewegs nach Norden marschieren, bis wir auf den nächsten Bach stoßen.«
*
Die erste Nachtwache war fürchterlich für Conrad. Zweimal weckte er Yanderman auf, weil er etwas zu sehen geglaubt hatte, was sich dann doch nur als Staubwolke herausstellte, die der Wind aufgewirbelt hatte. Die zweite Nacht war etwas besser. Der darauffolgende Tag brachte jedoch den schlimmsten Abschnitt des gesamten Marsches, denn nach der Karte mußten sie acht Stunden lang ohne Wasser marschieren, um einen Umweg in Richtung Osten zu vermeiden. Und ausgerechnet an diesem Tag war das Gelände schwieriger zu überwinden, weil es immer felsiger und unwegsamer wurde.
Sie waren bereits vier Stunden marschiert, als Yanderman plötzlich stehenblieb und einen überraschten Schrei ausstieß. Conrads Herz schlug rascher.
»Was ist denn?« erkundigte er sich.
»Da, sieh dir das an!« Yanderman deutete auf einen Einschnitt zwischen den Felsen, und Conrad starrte hinunter.
Dort wuchs eine Pflanze, die erste, die sie bisher in der Wüste gesehen hatten. Aber sie konnten sich nicht recht darüber freuen. Der Stengel sah wie bei jedem gewöhnlichen Gewächs aus, aber die Blätter waren von einem weißlichen Schimmel befallen.
»Nicht berühren!« warnte Yanderman. »Ich habe noch nie eine ähnliche Pflanze gesehen. Du etwa?«
Conrad schüttelte den Kopf.
Sie blieben noch einige Zeit stehen und betrachteten die Pflanze; dann seufzte Yanderman und machte sich wieder auf den Weg. »Paß gut auf, ob du noch andere siehst«, befahl er Conrad. »Wenn hier wirklich noch Menschen leben, ist es wahrscheinlich, daß in ihrer Umgebung mehr Pflanzen zu finden sind.«
Die seltsamen Gewächse tauchten allerdings nicht öfter auf; die einzelnen Pflanzen behielten ihren ursprünglichen Abstand voneinander – etwa hundert Schritt. Beruhigend war nur, daß sie im Gegensatz zu den Dingen in deutlich voneinander unterscheidbaren Gruppen auftraten.
Zwei oder drei Stunden später kletterten sie noch immer über Felsen und rutschten steile Geröllhalden hinab. Conrad verglich sich selbst mit einer Ameise, die über ein riesiges Skelett kriecht, und fühlte, daß ihm die Haare zu Berge standen, wenn er wieder eine der geheimnisvollen Pflanzen vor sich hatte. Trotzdem schienen sie durch nichts bedroht zu sein, deshalb konzentrierte er sich auf den Weg, anstatt seinen phantastischen Gedanken nachzuhängen.
Yanderman war stehengeblieben, um eine Eintragung auf seiner Karte zu machen, und hatte gerade festgestellt, daß sie in weniger als einer Stunde einen Bach erreichen würden, als ein gellender Schrei die Luft erschütterte. Er ließ die Karte achtlos fallen, riß das Gewehr von der Schulter und rief Conrad zu, daß er in Deckung gehen solle.
Einige Minuten lang lagen sie bewegungslos nebeneinander, ohne das Tier zu sehen, das diesen Laut ausgestoßen hatte.
Schließlich stand Yanderman vorsichtig auf.
»Es muß ganz in der Nähe sein«, flüsterte er Conrad zu. »Vielleicht dort drüben
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