TTB 103: Die Zeit und die Sterne
Mackenzies Bauch. Er konnte den Stoß mit seiner Linken ablenken und mit dem Säbel auf die Finger am Schaft schlagen. Eine Sense schnitt in seine rechte Seite. Er sah sein Blut, spürte aber keine Schmerzen. Eine Fleischwunde, nicht mehr. Mit wilden Säbelhieben verschaffte er sich Platz. Die Angreifer wichen vor der pfeifenden Klinge zurück. Er tat einen Schritt nach vorn, fühlte aber, daß seine Knie wie aus Gummi waren. Lange konnte er nicht mehr aushalten.
Draußen schmetterte ein Hornsignal. Gewehrfeuer knatterte. Die Menge auf der Treppe erstarrte. Jemand schrie.
Im Erdgeschoß klirrten Sporen. Die Schritte genagelter Stiefel hallten durch den Korridor, dann schnarrte eine Stimme: »Halt! Laßt eure Waffen fallen und kommt herunter. Wer Widerstand leistet, wird erschossen!«
Mackenzie stützte sich auf seinen Säbel und rang nach Luft. Er merkte kaum, wie die Esper die Treppe frei machten und sich entwaffnen ließen. Als er sich ein wenig besser fühlte, ging er an eins der Fenster und blickte hinaus. Der weite Platz wimmelte von Kavallerie. Er hörte den Marschtritt der Infanteriekolonnen.
Speyer kam die Treppe herauf, begleitet von einigen Soldaten. Als er Mackenzie sah, wurde er blaß. »Du bist verletzt, Jimbo? Ist es schlimm? Hast du Schmerzen?«
»Ein Kratzer, weiter nichts«, antwortete Mackenzie. Er fühlte sich besser, aber das Triumphgefühl über den Sieg wollte sich nicht einstellen. Die Verletzung begann zu schmerzen. »Sieh es dir selbst an, Phil. Nicht der Rede wert.«
Speyer bückte sich und untersuchte die Seite des Colonels. »Ja, du wirst wohl am Leben bleiben. Los, Männer, sprengt die Tür auf.«
Die Soldaten gehorchten mit einem Eifer, der ohne Angst nicht recht zu erklären war. »Wie kommt es, daß ihr so früh einmarschiert seid?« fragte Mackenzie.
»Ich dachte, daß es Schwierigkeiten geben würde«, sagte Speyer. »Als ich die Schüsse hörte, sprang ich aus dem Fenster und rannte zu meinem Pferd. Das war kurz bevor die Bauern mit ihren Werkzeugen in den Kampf eingriffen. Beim Wegreiten sah ich sie zusammenlaufen. Unsere Kavallerie war natürlich sofort in der Stadt.«
»Hat es Widerstand gegeben?«
»Nein. Wir feuerten ein paar Salven in die Luft, das genügte. Die Stadt ist völlig in unserer Hand.«
Mackenzie blickte zur Tür. »Es sieht beinahe so aus, als hätten ihre Adepten in Wirklichkeit nichts als normale, altmodische Waffen. Und die Esper behaupten, sie besäßen keine Waffen!«
Das Schloß zerbrach, und die Soldaten stießen die Tür auf. Mackenzie und Speyer betraten einen großen Raum, über dem sich die Kuppel erhob.
Verdutzt stellten sie fest, daß hier keine der vermuteten herkömmlichen Waffen verwahrt wurden. Lange wanderten sie schweigend zwischen Metallstrukturen und Formen aus unbekannten Materialien umher. Nichts von dem, was sie sahen, war ihnen bekannt. Zuletzt blieb Mackenzie vor einem schneckenförmigen Gebilde stehen, das einem transparenten Würfel entragte. Formlose Dunkelheit wirbelte im Innern des Würfels. Manchmal leuchteten kleine Funken auf, winzigen Sternen gleich.
»Ich dachte, die Esper hätten vielleicht ein Versteck von altem Zeug gefunden, aus der Zeit kurz vor den Höllenbomben«, murmelte Mackenzie. »Geheimwaffen, die nicht mehr zum Einsatz kommen konnten. Aber das hier sieht nicht danach aus. Was denkst du darüber?«
»Nein«, sagte Speyer. »Ich habe den Eindruck, daß diese Dinge überhaupt nicht von Menschen gemacht sind.«
*
»Aber verstehst du denn nicht? Sie haben eine Siedlung besetzt! Das beweist der ganzen Welt, daß die Esper nicht unverwundbar sind. Und um die Katastrophe vollständig zu machen, haben sie das Arsenal erobert.«
»Deswegen brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Keine ungeübte Person kann die Instrumente aktivieren. Und sie werden sich hüten, die Adepten heranzulassen.«
»Das ist klar. Was mich beängstigt, ist die Tatsache, daß die Nachricht von der Entdeckung durch das ganze Land gehen wird. Jeder wird wissen, daß die Adepten der Esper ihre übernatürlichen Kräfte keiner unbekannten psychischen Tiefe verdanken, sondern daß sie bloß über weit fortgeschrittene wissenschaftlich-physikalische Kenntnisse verfügen. Das aber wird nicht nur die Rebellen in ihrem Selbstbewußtsein bestärken, sondern es wird – und das halte ich für weitaus schlimmer – viele Mitglieder der Gemeinschaft veranlassen, dem Orden enttäuscht den Rücken zu kehren.«
»Das befürchte ich
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