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TTB 104: 200 Millionen Jahre später

TTB 104: 200 Millionen Jahre später

Titel: TTB 104: 200 Millionen Jahre später Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. E. van Vogt
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schäumenden Brandung der See; dicht daneben lagen die Formen anderer Leiber. Und auf der anderen Seite der Bucht strahlten die Lichter der Stadt. Sie unterdrückte das Heimwehgefühl, das sich beim Anblick der Stadt jäh erhob, und zwang die widerstrebenden Glieder zur Aktion. Eine Weile lang stand sie schwankend und taumelnd, halb gegen die Felswand gelehnt, die sich so ungeheuerlich vor ihr in der Nacht auftürmte. Und der Gedanke kam, daß es menschlichen Muskeln niemals gelingen würde, diese phantastische Felswand emporzuklimmen.
    Doch es gab kein Zurück. Sie mußte töten, um zu retten. Sie fand die Waffen in der Höhle, in der sie sie während jener melancholischen Ausflüge versteckt hatte, als sie – ihrer Kerkerzelle müde – diese öde Felsküste entlanggewandert war, an der so viele leblose Opfer des Ertrinkungstodes einen seelenlosen Moment lang verweilten, bevor sie für immer in die unendliche See hinausgeschwemmt wurden. Welche Ewigkeit war es her, jener letzte Spaziergang!
    Sie setzte die Waffen in Bereitschaft und begann zu klettern. Die Nacht schleppte sich dahin. Die Wolken trieben nach Nordwesten über das Meer. Eine Weile lang schienen die Sterne auf sie herunter, als sie mit der gigantischen Höhe der Klippenwand rang. Ein plötzlicher Wind kam auf, gefolgt von den Wolken, die zurückkehrten, schwärzer und schwerer jetzt, als ob sie zum Urquell des Regens gegangen wären, um sich aufzuladen. Der Regen stürzte mit kraftvoller Gewalt herab. Er wusch ihr Gesicht und brachte nasses und kaltes Elend zu ihren Armen und Beinen und zu ihrem Körper. Als er schließlich aufhörte, war die Morgendämmerung bereits hinter den Wolken erschienen.
    Die Sonne ging mit rotem Feuerschein über einem dunstverhüllten Horizont auf. Unermeßliche Tiefe befand sich bereits unter ihr, doch die titanenhafte Felswand setzte sich über ihr in nicht endenwollender Höhe fort. Ihr Körper war müde und matt. Der Tod des Mannes – ihre einzige Hoffnung – schien weiter denn je in die Ferne zu rücken.

 
9.
     
    Für Holroyd gab es kein Empfinden für die verstrichene Zeit. Noch eben sträubte er sich wild gegen die Energieströme, die mit solch erschreckender Gewalt aus der Hand des Mädchens in seinen Körper flossen; im nächsten Augenblick bemerkte er, daß er auf dem Fußboden eines großen Raumes lag, eines seltsamen, unbekannten, sonnenbeschienenen Raumes.
    Er war sechzig Meter lang und dreißig Meter breit, schätzungsweise, doch nach einem Moment verging das Gefühl der Dimensionen. Das Mobiliar leuchtete ihn förmlich an; flammengemustertes Rosenholz, dicke, üppige Polster auf den Sesseln, Sofas und Sitzbänken. Und die getäfelten Wände strahlten im sanften Blau eines erstaunlichen Edelholzes.
    Gefangen in Faszination, schickte sich Holroyd an, aufzustehen; dann sank er wieder auf den Boden zurück, als sein staunender Blick der Szene ansichtig wurde, die vor ihm lag. Das Unglaublichste im ganzen Raum kam auf ihn zu: eine goldhaarige junge Frau. Genauso, wie er noch nicht richtig Zeit gehabt hatte, den wundervollen Raum in Augenschein zu nehmen, war auch seine erste Begutachtung der Frau hastig und beschränkt. Er sah ihre zwingenden blauen Augen einen schlanken Körper, angetan mit einem enganliegenden, schneeweißen Gewand, und dann kam auch schon ihre Stimme, drängend und ungeduldig:
    »Ineznio!« sagte sie. »Was ist passiert? Du bist wie ein betäubter Vrill umgefallen.«
    Sie verstummte, und Holroyd hatte Zeit, seine Gedanken auf eine Facette der gegenwärtigen Ereignisse zu konzentrieren. Ineznio! Sein Verstand klammerte sich an den Namen. Er dachte gequält: »Sie hat mich in den Palast gebracht und mit Prinz Ineznio ausgetauscht.«
    Dann erinnerte er sich daran, daß L'Onee ihm bedeutet hatte, die Zeit für gefahrvolle Unternehmungen wäre gekommen. Sein Selbstvertrauen stellte sich ein. Er sagte:
    »Ich bin gestolpert. Tut mir leid.«
    Er stand auf. Die weichen, weißen Hände der jungen Frau waren ihm behilflich. Sie war stark. Wie eine Tigerin, dachte Holroyd, als er sie von sich weggehen sah. Sie blieb in einer Türöffnung stehen, hinter der sich ein marmorner Korridor zeigte, und sagte:
    »Benar wird dir heute morgen die Liste derer bringen, die hingerichtet werden müssen. Ich hoffe, daß du dich endlich entschlossen hast, sie zu unterschreiben.« Ihre blauen Augen flammten. »Es ist mein unumstößlicher Wille, daß wir alle jene sogenannten Patrioten ausmerzen, deren ganze Absicht

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