TTB 106: Der dritte Planet
war.
Jetzt bog das Taxi nach links in die Zehnte Straße ein. Jetzt fuhr es den Hügel hinauf, glitt auf der anderen Seite hinunter zum Bahnhof. Jetzt ...
»Chris!«
Sein Kopf fuhr herum, und sein Körper beugte sich überrascht zur Seite. Er sah den Eingang zum Gebäude der Geisteswissenschaften mit seinen riesigen Türen vor sich. Dr. Morton trat heraus und auf ihn zu.
Vor achtzehn Jahren haben wir gemeinsam die Schule beendet, dachte er. Aber ich hatte nur wenig Interesse für die reine Wissenschaft. Ich zog es vor, meine Zeit mit der Kultur der Jahrhunderte zu verschwenden. Deshalb bin ich immer noch nur ein einfacher Lehrer, während er Doktor und Leiter seiner Abteilung ist.
All dies schoß ihm rasend schnell durch den Kopf, als Dr. Morton lächelnd näher kam. Er klopfte Chris auf die Schulter.
»Hallo!« sagte er. »Wie geht's?«
»Wie immer.«
Dr. Mortons Lächeln verging.
»Was ist denn los, Chris?« fragte er.
Ich werde dir nichts von Sally erzählen, dachte Chris. Von mir wirst du nichts darüber erfahren.
»Das Übliche«, sagte er.
»Immer noch auf gespanntem Fuß mit Ramsay?«
Chris zuckte mit den Achseln. Morton blickte zu der großen Uhr am Gebäude der Geisteswissenschaften hinüber.
»Sage mal«, meinte er, »weshalb stehen wir hier. Deine Vorlesung fängt erst in einer halben Stunde an, nicht wahr?«
Chris antwortete nicht. Er will mich zu einem Kaffee einladen, dachte er. Und dann will er mir mit seinen albernen Theorien zusetzen, mich als Prügelknaben mißbrauchen.
»Laß uns eine Tasse Kaffee trinken«, sagte Morton und nahm Chris' Arm. Schweigend gingen sie eine Weile.
»Wie geht es Sally?« fragte Morton dann.
»Gut«, versetzte er gelassen.
»Fein. Oh, nebenbei – wahrscheinlich komme ich morgen oder übermorgen mal bei euch vorbei und hole mir das Buch, das ich letzten Donnerstag vergessen habe.«
»Schön.«
»Was hast du vorhin über Ramsay gesagt?«
»Nichts.«
Morton überging das. »Hast du über das nachgedacht, was ich dir erklärt habe?« fragte er.
»Wenn du damit das Märchen über mein Haus meinst – nein. Ich habe nicht mehr darüber nachgedacht, als es verdient, und das ist – nichts!«
Sie bogen um die Ecke des Hauses und gingen zur Neunten Straße.
»Das ist eine unentschuldbare Haltung, Chris«, sagte Morton. »Du hast kein Recht zu zweifeln, so lange du gar nichts weißt.«
Chris hatte Lust, seinen Arm wegzureißen, sich umzudrehen und Morton stehenzulassen. Die ewigen Worte hingen ihm zum Halse hinaus. Er wollte allein sein. Ihm war beinahe danach zumute, sich eine Kugel in den Kopf zu schießen, um alles hinter sich zu haben. Ja, das könnte ich, dachte er. Wenn jemand mir jetzt eine Pistole gäbe, würde ich es sofort tun.
Sie gingen die Steinstufen zum Bürgersteig hinauf und hinüber zum Campus-Café. Morton öffnete die Tür, schob Chris hindurch. Chris ging nach hinten und glitt in eine der hölzernen Nischen.
Morton brachte zwei Tassen Kaffee und setzte sich ihm gegenüber.
»Nun höre mal zu«, sagte er und rührte in seiner Tasse. »Ich bin dein bester Freund, halte mich wenigstens dafür. Und ich will verdammt sein, wenn ich tatenlos mit ansehe, wie du dich selbst umbringst.«
Chris schluckte und versuchte, die Gedanken zu unterdrücken, die ihm kamen, als ob Morton sie sehen könnte.
»Vergiß es«, sagte er. »Mir ist es gleichgültig, was für Beweise du angeblich hast. Ich glaube an nicht einen davon.«
»Was muß man nur anstellen, um dich zu überzeugen?« sagte Morton. »Mußt du erst dein Leben dadurch verlieren?«
»Ach was!« sagte Chris mürrisch. »Ich glaube es nicht – daran liegt es. Vergiß es und sprich nicht mehr davon.«
»Hör mal, Chris, ich kann dir zeigen ...«
»Du kannst mir gar nichts zeigen!« unterbrach Chris ihn grob.
Morton blieb geduldig. »Es ist ein anerkanntes Phänomen«, sagte er.
Chris sah ihn verärgert an und schüttelte den Kopf.
»Was für Träume ihr weißbekittelten kleinen Jungen in euren geweihten Klöstern von Laboratorien ausbrütet! Nach einer Weile kannst du dich dazu bringen, alles zu glauben. So lange, wie du davon überzeugt bist, einen Maßstab dafür gefunden zu haben.«
»Willst du mich nicht zu Ende anhören, Chris? Wie oft hast du dich über eingerissene Splitter beklagt, über Schranktüren, die plötzlich von selbst aufspringen, über rutschende Teppiche? Wie oft?«
»Um Himmels willen – fang nicht wieder damit an! Ich stehe auf und gehe. Ich bin nicht in
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