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TTB 106: Der dritte Planet

TTB 106: Der dritte Planet

Titel: TTB 106: Der dritte Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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und musterte das Mädchen vor ihm kalt.
    »Nun?« sagte er.
    »Können Sie uns sagen, Professor Neal, wann wir die letzten schriftlichen Arbeiten zurückbekommen?« fragte sie.
    Er starrte sie an. In seiner rechten Wange zuckte ein Nerv. Am liebsten hätte er ihr jede Schmähung ins Gesicht geworfen, die ihm einfiel. Seine Hände ballten sich.
    »Sie bekommen sie zurück, wenn ich damit fertig bin«, versetzte er knapp.
    »Ja, aber ...«
    »Sie haben gehört, was ich sagte!«
    Seine Stimme hob sich zum Ende des Satzes. Das Mädchen setzte sich. Als er seinen Kopf sinken ließ, bemerkte er, daß sie den Jungen neben sich ansah und die Achseln dabei zuckte, einen Ausdruck von Widerwillen im Gesicht.
    »Miss ...«
    Er blätterte im Vorlesungsbuch und fand ihren Namen.
    »Miss Forbes!«
    Sie blickte auf. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, nur die roten Lippen stachen scharf gegen die weiße Haut ab.
    »Verlassen Sie den Saal!« befahl er scharf.
    Sie sah verwirrt aus.
    »Weshalb?« fragte sie mit dünner Stimme.
    »Vielleicht haben Sie mich nicht verstanden«, sagte er, und sein Zorn wuchs. »Ich habe gesagt, Sie sollten den Saal verlassen!«
    »Aber ...«
    »Hören Sie nicht?« brüllte er.
    Hastig raffte sie ihre Bücher zusammen. Ihre Hände zitterten, ihr Gesicht brannte vor Verlegenheit. Sie hielt die Blicke auf den Fußboden gerichtet, und ihre Kehle zuckte krampfhaft, als sie den Gang entlang und aus der Tür ging.
    Die Tür schloß sich hinter ihr. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und fühlte sich entsetzlich übel. Nun, dachte er, werden sie zur Verteidigung eines hohlköpfigen Mädchens alle gegen mich sein. Und Dr. Ramsay würde mehr Brennstoff für sein kleines, sorgsam unterhaltenes Feuer haben.
    Und sie hatten recht!
    Er konnte es beim besten Willen nicht bestreiten. Er wußte es genau. In einem weit entlegenen Abteil seines Gehirns, bis zu dem seine Leidenschaftlichkeit nicht reichte, wußte er, daß er ein Narr war.
    Ich habe kein Recht, andere zu lehren, dachte er. Ich kann nicht einmal mich selbst zu einem menschlichen Wesen erziehen. Er hätte es am liebsten laut hinausgeschrieen, geweint und sich aus einem der offenen Fenster gestürzt.
    »Das Flüstern hört sofort auf!« befahl er wütend.
    Der Raum wurde ruhig. Er saß gespannt und wartete auf ein Anzeichen von Aufruhr. Ich bin euer Lehrer, sagte er sich. Ihr habt mir zu gehorchen.
    Der Gedanke verging wieder. Was waren Studenten oder Studentinnen, die nach der Rückgabe ihrer Arbeiten fragten?
    Er sah nach seiner Uhr. In wenigen Minuten würde der Zug in Centralia einlaufen. Sie würde in den Schnellzug der Hauptlinie nach Indianapolis umsteigen. Dann nach Detroit und zu ihrer Mutter. Fort.
    Fort. Er versuchte, sich das Wort bildhaft vorzustellen, aber der Gedanke an das Haus ohne sie überstieg seine Möglichkeiten. Weil es nicht allein das Haus ohne sie war, sondern noch irgend etwas anderes.
    Er begann, über das nachzudenken, was John gesagt hatte.
    War es möglich? Er war in einer Stimmung, in der er auch das Unglaubliche hinnahm. Es war unglaublich, daß sie ihn verlassen hatte. Weshalb sollten dann die anderen Unglaublichkeiten, die ihm zustießen, nicht auch möglich sein?
    Gut also, dachte er ärgerlich. Das Haus hat Leben, das ich ihm mit meinen Wutergüssen eingeflößt habe. Ich hoffe, daß, wenn ich nach Hause komme und durch die Tür gehe, das Dach zusammenfällt. Daß die Wände sich biegen und ich zerquetscht werde. Das wünsche ich mir. Wenn mir nur irgend etwas zu Hilfe käme! Allein bekomme ich es nicht fertig. Ein Revolver müßte von selbst auf mich schießen und mich töten. Oder Gas ausströmen. Oder ein Rasiermesser müßte mir die Kehle durchschneiden, ohne daß ich es halte.
    Die Tür ging auf, und er blickte hoch. Dr. Ramsay stand mit entrüstetem Gesicht auf der Schwelle. Hinter ihm sah Chris das Mädchen stehen, dem die Tränen über die Wangen liefen.
    »Einen Augenblick, Neal!« sagte Ramsay scharf und trat auf den Korridor zurück.
    Chris saß hinter seinem Schreibtisch und starrte auf die Tür.
    Plötzlich fühlte er sich müde, völlig erschöpft. Er blickte über die Studenten hin. Ein paar von ihnen versuchten, ein Lächeln zu unterdrücken.
    »Für morgen bereiten Sie sich darauf vor, daß wir King Lear zu Ende lesen«, sagte er. Einige von ihnen stöhnten.
    Ramsay erschien mit rotem Gesicht wieder in der Tür.
    »Kommen Sie, Neal?« fragte er laut.
    Chris spürte, daß er sich vor Ärger

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