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TTB 106: Der dritte Planet

TTB 106: Der dritte Planet

Titel: TTB 106: Der dritte Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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eine Seite und versuchte, unter allem hervorzukriechen. Mit schwachen Händen schob er die Bücher beiseite. Dabei gingen sie auf, und die Kanten der Seiten zerschnitten seine Finger wie Rasierklingen.
    Der Schmerz klärte seinen Kopf. Er setzte sich auf und schleuderte die Bücher durchs Zimmer. Das Regal stieß er mit den Füßen an die Wand.
    Er stand auf, und das Zimmer drehte sich vor seinen Augen. Er stolperte gegen die Wand und versuchte sich festzuhalten. Die Wand drehte sich unter seinen Händen – so kam es ihm vor. Er konnte sich nicht festhalten, glitt auf die Knie und stieß sich von neuem nach oben.
    »Mich verbinden«, murmelte er heiser.
    Diese Absicht nahm ihn ganz und gar in Anspruch. Er schwankte durch das Wohnzimmer ins Badezimmer.
    Er blieb stehen. Nein! Geh aus dem Haus! Er wußte, daß es nicht sein Wille war, der ihm das eingab.
    Er wollte sich umdrehen, rutschte aber auf den Fliesen aus und stieß mit dem Ellbogen gegen eine Kante der Badewanne. Ein bohrender Schmerz fuhr ihm durch den Oberarm. Der Arm wurde gefühllos. Er ließ sich lang auf den Fußboden fallen und krümmte sich vor Schmerzen.
    Er setzte sich auf. Das Atmen machte ihm Mühe. Schließlich stieß er sich hoch, griff zu und machte die Tür des Badezimmerschränkchens auf. Sie flog gegen seine Wange und riß ihm eine Wunde.
    Sein Kopf fuhr zurück. Der Riß in der Decke sah plötzlich wie ein Lächeln in einem leeren, weißen, idiotischen Gesicht aus. Er senkte den Kopf und wimmerte vor Angst.
    Er wollte zurückgehen, griff jedoch erst nach Jod und Mull.
    Seine Hand kam mit dem Rasiermesser wieder zum Vorschein. Es bewegte sich in seiner Hand wie ein frisch gefangener Fisch. Er griff mit der anderen Hand hinein und faßte den Zahnreinigungsfaden, der sich wie ein endloser weißer Wurm aus seinem Behälter ziehen ließ. Er wickelte sich ihm um Kehle und Schultern und erstickte ihn fast.
    Die lange, glänzende Klinge glitt aus der Scheide.
    Er konnte seine Hand nicht stillhalten. Sie zog das Rasiermesser schwer über seine Brust. Es zerschnitt das Hemd und grub eine tiefe Wunde in seine Brust. Blut sprang hinaus.
    Er versuchte, das Rasiermesser wegzuwerfen. Es blieb an seiner Hand wie festgeklebt. Es zerfleischte ihn, Arme, Hände, Beine und Körper.
    Dann geriet es an seine Kehle.
    Ein Schrei äußersten Entsetzens brach von seinen Lippen. Er rannte aus dem Badezimmer und schwankte wild ins Wohnzimmer.
    »Sally!« schrie er. »Sally, Sally, Sally ...«
    Die Rasierklinge drückte auf seine Kehle. Das Zimmer wurde dunkel. Sein Leben verströmte in die Dunkelheit.
     
    *
     
    Am nächsten Tag kam Dr. Morton. Er holte die Polizei, und später schrieb der Coroner in seinem Untersuchungsbericht:
    Starb an Wunden, die er sich selbst zugefügt hat.

 
Das Verschwinden
     
    Mit den hier veröffentlichten Notizen war ein Schulheft vollgekritzelt, das vor vierzehn Tagen in einem Café in Brooklyn gefunden wurde. Daneben stand eine zur Hälfte ausgetrunkene Tasse Kaffee. Die Bedienung gab an, daß seit über zwei Stunden kein Gast mehr an dem Tisch gesessen habe, bevor das Heft ihre Aufmerksamkeit erregte.
     
    SAMSTAGMORGEN, sehr früh:
    Ich sollte das alles gar nicht niederschreiben. Was ist, wenn Mary es zufällig entdeckt? Was dann? Bestimmt das Ende, fünf Jahre vergeudet.
    Aber ich muß es aufschreiben. Ich habe schon zu lange geschrieben. Ich finde keinen Frieden, wenn ich es nicht zu Papier bringen kann. Nur dann erscheint alles vielleicht logisch und einfach. Aber es ist so schwer, die Dinge zu vereinfachen – und so leicht, sie zu komplizieren.
    Ich denke an die vergangenen Monate zurück.
    Womit hat es angefangen? Selbstverständlich mit einem Streit. Wir müssen uns im Lauf unserer Ehe schon Tausende von Malen gestritten haben. Und immer aus dem gleichen Anlaß, das ist so schrecklich daran.
    Geld.
    »Es handelt sich nicht darum, ob ich Vertrauen zu deinen schriftstellerischen Fähigkeiten habe«, sagte Mary bei solchen Gelegenheiten. »Es handelt sich um Rechnungen – bezahlen wir sie jetzt endlich oder nicht?«
    »Rechnungen? Wofür denn?« antwortete ich. »Für wirklich wichtige Dinge? Nein. Für lauter unsinnige Anschaffungen!«
    »Unsinnige Anschaffungen!« Und dann ging es los. Mein Gott, wie unmöglich ist doch ein Leben ohne Geld. Nie kommt man darüber hinweg, weil man immer daran denkt. Wie kann ich in Ruhe schreiben, wenn ich nur einen klaren Gedanken fassen kann – Geld, Geld, Geld? Der Fernsehapparat, der

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