TTB 106: Der dritte Planet
erinnere mich sogar noch an den Abend vor Jahren, als ich sie groß und deutlich eintrug, weil ich die Verbindung zu ihm nicht abreißen lassen wollte, nachdem wir das College hinter uns hatten. Ich erinnere mich sogar noch an den Tintenfleck, den ich machte, weil mein Füllfederhalter undicht war.
Die Seite ist leer.
Ich erinnere mich an seinen Namen, sein Aussehen, seine Redeweise, unsere gemeinsamen Erlebnisse, die Vorlesungen, die wir beide besuchten.
Ich hatte sogar noch einen Brief von ihm, den er mir während der Osterferien geschrieben hatte. Ich erinnere mich, daß Mike damals bei mir war. Unsere Eltern lebten nämlich in New York, deshalb konnten wir nicht wie die anderen nach Hause fahren, weil die Ferien zu kurz waren.
Aber Dave war nach Chicago gefahren und schickte uns von dort aus einen verrückten Brief. Sogar per Eilboten. Ich weiß noch, wie wir lachten, als wir sahen, daß Dave den Umschlag mit Kerzenwachs versiegelt hatte.
Der Brief ist aus der Schublade verschwunden, in der ich ihn aufbewahrt hatte.
Und ich hatte zwei Photographien, die Dave nach bestandenem Abschlußexamen zeigten. Beide hatte ich in mein Album eingeklebt. Sie sind noch darin ...
Aber er ist nicht darauf zu sehen.
Die Bilder zeigen nur einige Bäume und im Hintergrund einen Teil des Hörsaalgebäudes.
Ich fürchte mich vor weiteren Nachforschungen. Ich könnte an das College schreiben oder dort anrufen, um zu erfahren, ob Dave jemals dort gewesen ist.
Aber ich habe vor dem Versuch Angst.
DONNERSTAGNACHMITTAG:
Heute bin ich nach Hempstead hinausgefahren, um Jim aufzusuchen. Ich ging in sein Büro. Er schien überrascht, als ich hereinkam. Er wollte wissen, aus welchem Grund ich so weit gefahren Trauungszeremonie die Kirchentüren geschlossen hielt.
»Du willst doch nicht etwa den Job annehmen, den ich dir angeboten habe?« meinte er lächelnd.
Ich schüttelte den Kopf. »Jim, kannst du dich daran erinnern, daß ich dir gegenüber jemals ein Mädchen namens Jean erwähnt habe, das in New York wohnt?« fragte ich.
»Jean? Nein, ich glaube nicht.«
»Was soll das, Jim? Ich weiß, daß ich dir von ihr erzählt habe. Weißt du noch, wie wir beide zusammen mit Mike gepokert haben? Damals habe ich sie erwähnt.«
»Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, Bob«, antwortete er. »Was ist denn mit ihr?«
»Ich finde sie einfach nicht wieder. Und ich finde auch das andere Mädchen nicht, mit dem Mike ausgegangen ist. Und Mike streitet ab, jemals etwas mit Jean oder ihrer Freundin zu tun gehabt zu haben.«
Jim sah mich verständnislos an, deshalb wiederholte ich meine Geschichte. »Was soll ich davon halten?« fragte er. »Zwei alte Ehemänner treiben sich nachts mit irgendwelchen Mädchen herum, die ...«
»Langsam, nicht so voreilig«, unterbrach ich ihn. »Alles halb so schlimm. Ich habe ihre Bekanntschaft durch einen Freund aus meiner Collegezeit gemacht. Du brauchst nicht auf komische Ideen zu kommen.«
»Gut, ausgezeichnet, lassen wir das. Aber was habe ich damit zu tun?«
»Ich finde sie nicht wieder. Sie sind spurlos verschwunden. Ich kann nicht einmal beweisen, daß sie je existiert haben.«
Er zuckte mit den Schultern. »Und?« Dann fragte er, ob Mary davon wisse. Ich überging seine Frage.
»Habe ich Jean nie in einem Brief erwähnt?« erkundigte ich mich.
»Kann ich nicht sagen. Ich hebe Briefe nie auf.«
Ich ging bald darauf. Er wurde zu neugierig. Ich weiß, was daraus geworden wäre. Er sagt es seiner Frau, seine Frau erzählt es Mary weiter – ein Riesenkrach.
Als ich heute nachmittag zur Arbeit fuhr, hatte ich plötzlich das fürchterliche Gefühl, ich sei sehr vergänglich. Als ich mich setzte, schien ich auf Luft zu sitzen. Wie ein körperloses Wesen, dachte ich.
Wahrscheinlich schnappe ich bald über. Weil ich absichtlich einen alten Mann anrempelte, um festzustellen, ob er mich sehen oder fühlen würde. Er drehte sich wütend um und nannte mich einen rücksichtslosen Trottel.
Ich war ihm dankbar dafür.
DONNERSTAGABEND:
Heute abend rief ich Mike vom Büro aus an, um ihn zu fragen, ob er sich noch an Dave erinnerte, mit dem wir auf dem College gewesen waren.
Das Telefon klingelte, dann ertönte das Besetztzeichen. Das Fräulein vom Amt schaltete sich ein. »Welche Nummer haben Sie gewählt, Sir«, fragte sie.
Auf meiner Stirn brach der kalte Schweiß aus. Ich nannte die Nummer. Sie sagte mir, daß es diese Nummer nicht gebe.
Der Hörer fiel mir aus der Hand und knallte auf den
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