Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TTB 112: Menschen für den Mars

TTB 112: Menschen für den Mars

Titel: TTB 112: Menschen für den Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Spalte lastete der Druck der Tausende von Tonnen Sand. Langsam und allmählich, im Verlauf von Jahrhunderten, begann der Spalt sich zu verbreitern, bis die Erde bebte und eine tiefe Schlucht da gähnte, wo keine Schlucht gewesen war. Eine ganze geologische Formation – ein Granitblock, der Hunderte von Quadratmeilen maß, bäumte sich auf. Die zerrissene Wüste bebte, und die Katastrophe überfiel die Bauten, die ahnungslose Menschen über dem Spalt errichtet hatten.
    Aherne hatte den Tag seiner Abreise festgelegt. Valoinen mußte mit seinem Schiff flugplanmäßig am nächsten Morgen landen, und Aherne war gerade beim Abschiednehmen, als die Katastrophe hereinbrach. Der Boden begann zu wanken. Die Verankerungen des Kuppelbaues lösten sich aus der Erde, Spannungen, für die der Bau nicht geplant war, zerrten an der Kuppel, und ein gezackter Spalt lief von einem Ende der blitzenden Plastik zum andern.
    Aherne fühlte, wie die Kälte hereinbrach. In Sekundenschnelle hatte sich die so sorgfältig bewahrte Atmosphäre verflüchtigt, und die stickstoffgeladene Marsluft rauschte herein.
    »Raumanzüge!« schrie jemand, dann brach Panik aus.
    Elfhundert Menschen, die sich im gleichen Augenblick der Raumanzüge zu bemächtigen versuchten. Erwachsene schrien, Kinder wurden niedergerissen, Frauen irrten ängstlich umher.
    Aherne rang nach Luft. Sein Kopf begann zu dröhnen, die Augen traten ihm aus den Höhlen. Was hatte der Peruaner gesagt? Dies war die kritische Schwelle, der Augenblick, von dem man nicht fliehen konnte. Durch die klaffende Kuppel schimmerte schwaches Sonnenlicht. Das war es also – die Marsluft. Die kalte Marsluft, die menschliche Lungen nicht atmen konnten. Die kritische Schwelle.
    Irgendwie fand Aherne einen Raumanzug. Es bereitete ihm unsagbare Mühe hineinzuschlüpfen. Er konnte kaum sehen, die eiskalten Hände verweigerten den Dienst. Schließlich hatte er es geschafft. Luft, die er atmen konnte, umgab ihn. Er lehnte sich für einen Augenblick gegen die gewellte Stahlwand eines Gebäudes. Halb betäubt, versuchte er zu ergründen, was geschehen war. Eben noch hatte er sich angeregt mit Kate Greer und Sully Roberts unterhalten, im nächsten Augenblick war der Himmel über ihm geborsten. Tief sog er die Luft ein, schluckte sie und ließ sie seine Lungen wärmen. Langsam kehrten die Körperfunktionen wieder zurück. Dann blickte er sich um.
    Der Anblick war schrecklich. Wohin immer er sah, traf sein Blick auf Kolonisten. Den meisten war es gelungen, in Raumanzüge zu schlüpfen. Die andern weniger Glücklichen, zu denen auch eine Handvoll Kinder gehörte, lagen bewußtlos am Boden. Sauerstoffmangel hatte ihre Gesichter blau verfärbt.
    Sully Roberts lag neben einer Wand, nahe der großen offenen Kiste, die Raumanzüge für den Notfall enthalten hatte. Es war ihm gelungen, sich einen der Anzüge überzustreifen, aber die kritische Schwelle war zuviel für ihn gewesen; der große Mann hatte das Bewußtsein verloren.
    »Sully! Sully!«
    Nach einer Weile blickte Roberts auf. Taumelnd kam er auf die Füße, schüttelte den Kopf und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Aherne stützte ihn.
    Ihm war, als durchlebte er einen Alptraum.
    Roberts deutete auf eine Gestalt, die in fünfzig Meter Entfernung zusammengebrochen war. Ein Kolonist, der den rettenden Raumanzug nicht erreicht hatte.
    »Gehen wir«, sagte Roberts heiser. »Vielleicht können wir noch Hilfe bringen.«
     
    *
     
    Später, als Ruhe und ein gewisses Maß an Ordnung wiederhergestellt waren, versuchte die Kolonie, sich über das Ausmaß der Katastrophe klarzuwerden. Eine allgemeine Versammlung wurde im Zentralauditorium einberufen, und langsam füllte sich der Raum mit verwirrten, in Raumanzüge gekleideten Gestalten.
    Aherne nahm abseits Platz. Erst jetzt begann der Schock sich auf ihn auszuwirken. Er fühlte Bitterkeit und Ärger über diesen komischen Scherz, denn sie wußten nun, daß ein Marsbeben den Kuppelbau zerrissen hatte. Sein Bericht war geschrieben, die Zukunft der Kolonie schien gesichert – und nun dies.
    Er hörte Carter müde die Namen aufrufen.
    »Anderson, David und Joan.«
    »Hier.«
    »Antonelli, Leo, Marie und Helen.«
    »Hier.«
    Dann kam Stille nach einem Namen. Er wurde wiederholt, aber auch diesmal blieb die Antwort aus. Immer häufiger antwortete Schweigen auf den Aufruf. Nach langen Stunden war das Ausmaß des Schadens festgestellt.
    Die Kolonie hatte, wie Carter verkündete, 73 Tote zu beklagen. 57 Personen

Weitere Kostenlose Bücher