TTB 116: Freibeuter im Weltraum
Möglicherweise habe der irdische Gouverneur von Neu-Europa diese Flottenbewegungen für einen Angriff gehalten und das Feuer eröffnen lassen. Daraufhin seien die Kriegsschiffe Alerions zum Gegenangriff übergegangen, der zur Vernichtung des besiedelten Randstreifens des Pays d’Espoir genannten Kontinents geführt habe. Die Überlebenden seien evakuiert und zur Erde zurückgebracht worden.
Auf die Frage, warum Alerion Neu-Europa nunmehr für sich selbst beanspruche, erklärte Cynbe, immer wieder hätten Menschen Alerion von Planeten vertrieben, die es bereits vor Tausenden von Jahren entdeckt hätte. Sie seien als Friedensstörer und Unruhestifter aufgetreten und hätten Rassen, mit denen Alerion seit alten Zeiten in Frieden und Freundschaft verbunden gewesen sei, durch Propaganda und Waffenlieferungen zu Feindseligkeiten aufgewiegelt Auf diese Weise seien Alerion wichtige Rohstoffquellen weggenommen worden. Alle diese Dinge hätten zu Spannungen geführt, die sich zwangsläufig entladen mußten. Es sei höchste Zeit, die Ära der Unsicherheit und des ständigen Kleinkriegs durch einen Vertrag zu beenden.
Als ein Korrespondent fragte, warum Alerion keine Abordnung von der Erde zur Inspektion nach Neu-Europa reisen lasse, erwiderte Cynbe ru Taren, ein solches Entgegenkommen könne zu leicht als ein Zeichen des schlechten Gewissens und der Schwäche ausgelegt werden. Außerdem dürfe man dabei nicht außer acht lassen, daß eine gewisse Spionagegefahr bestehe oder daß extremistische Kreise versuchten, Selbstmordkommandos einzuschmuggeln. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt, meinte er abschließend, wenn eine feste Basis gegenseitigen Vertrauens geschaffen worden sei …
– 5. Dezember. Lisa Heim, 15, Tochter des Großindustriellen Gunnar Heim, der in jüngster Zeit mit Projekten zur weiteren Erforschung des Weltraums hervorgetreten ist, wird seit Mittwoch vermißt. Alle Nachforschungen blieben bisher ohne Ergebnis. Die Polizei befürchtet, daß das Mädchen entführt worden ist. Ihr Vater hat für Hinweise, die zu ihrer Auffindung führen, eine Belohnung von fünfzigtausend Dollar ausgesetzt.
6.
Utgh-a-Kthaq neigte sein Gesicht nach unten und richtete seine vier fühlerartigen Sensoren auf Heim. In dieser Position war auch das dritte Auge oben auf seinem Kopf sichtbar. Aber es waren die vorderen Augen beiderseits der fleischigen Fühler, die ihn anstarrten. Ein Grunzen kam aus der lippenlosen Mundöffnung. »Also Krieg, sagen Sie. Wir von Naqsa wissen wenig von Krieg.«
Heim wich einen Schritt zurück, denn für eine menschliche Nase war der nach fauligem Sumpf riechende Atem des Wesens nur schwer zu ertragen. Auch aus einem Abstand von zwei Metern mußte er zu seinem Gesprächspartner aufblicken. Utgh-a-Kthaq überragte ihn um volle zwanzig Zentimeter. Er fragte sich flüchtig, ob das der Grund für die Vorurteile sein mochte, die man gegen Naqsaner hegte.
Die landläufige Erklärung für diese Abneigung war ihre gesamte Erscheinung. Utgh-a-Kthaq ähnelte einem grüngefleckten Delphin, dessen Schwanz zu einem Paar kurzer Beine mit großen Plattfüßen umgebildet war. Unter dem stumpfen Kopf saßen eigenartig menschenähnliche Arme, wenn man von ihrer 5tärke und den Schwimmhäuten absah, die von den Ellbogen bis zum Becken liefen. Abgesehen von einem Beutel, der an einer halsähnlichen Einschnürung seines Körpers hing, war er völlig nackt und von unübersehbarer Männlichkeit. Es war keineswegs das Nichtmenschliche, was auf Menschen abstoßend wirkte, sondern eher eine gewisse Ähnlichkeit bestimmter Körperteile, die doch verschieden waren und wie eine obszöne Karikatur des Homo Sapiens wirkten. Der Geruch, das ständige Schlabbern und Prusten, die sexuellen Aspekte …
Aber auch sie sind Raumfahrer, Kolonisten, Prospektoren und Händler, dachte Heini. Und sie haben uns schon oft harte Konkurrenz gemacht.
Die Naqsaner waren kluge Geschäftsleute und Techniker und im allgemeinen anständiger und ehrlicher als Menschen. Heim fand auch, daß ihr Aussehen ihn nicht störte. Utgh-a-Kthaq war sogar schön, wenn man seinen Körper funktionell betrachtete. Doch es blieb die Tatsache zu bedenken, daß viele Menschen Anstoß daran nehmen würden, einen Naqsaner im selben Schiff zu haben, geschweige denn unter ihm zu arbeiten. David Penoyer war ein fähiger Kapitän, den Heim von früher her kannte, aber würde er sich auch als energisch genug erwiesen, wenn es zu Unzuträglichkeiten und häßlichen
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