Tu dir weh
nie wieder ein Wort sprechen.«
Alberto hält inne, verkriecht sich unter dem Laken. Er fühlt sich beschissen und möchte es wiedergutmachen, die Worte finden, umStella zu überzeugen, dass er nicht vorhatte, sie auf diese Weise auszunutzen.
»In Ordnung, in Ordnung. Entschuldige. Aber, bitte, bleib hier, ich werde dich auch nicht mal mehr berühren.«
Sie dreht sich auf die andere Seite und tut so, als ob sie schliefe.
LORY
Stella öffnet die Augen und merkt, dass sie in einem fremden Bett liegt, fahles Licht dringt durch die halbgeöffneten Fensterläden. Das Zimmer ist groß, das Bett ein Doppelbett, davor auf dem Boden ein Teppich aus Jeans und schmutzigen Socken, außerdem zwei mit Klebeband verschlossene Umzugskartons. Sie kann sich nur noch dunkel an den vergangenen Abend erinnern: der Zug, der Strand, das Lagerfeuer.
Alberto.
»Alberto?«
»Hey, Stella«, sagt eine raue Stimme vom anderen Ende der Decke, »schau mal aus dem Fenster, fantastisches Wetter, lass uns zum Strand gehen.«
»Ja, gern, auf zum Strand!«
In diesem Augenblick hören sie, wie jemand den Schlüssel im Schloss umdreht. Stella und Alberto sehen sich an. Er wirkt besorgt. Absätze hallen vom Flur zu ihnen herüber.
Scheiße, Lory!
Die Tür des Schlafzimmers geht auf. Alberto schreckt hoch, hustet, als ob er sich verschluckt hätte. Kurz darauf steht er aufrecht. »Lory, was machst du hier?«, fragt er und spielt den Überraschten.
»Wusstest du nicht, dass ich einen Schlüssel habe?«, fragt sie und starrt Stella mit hasserfülltem Blick an.
Stella fühlt sich schuldig für etwas, das sie nicht getan hat. Ein Gefühl von Kälte breitet sich auf ihrer Haut aus. Sie fährt sich nervös durchs Haar, streicht über ihre Beine, fummelt an ihrem BH herum, alles nur, damit sie nicht daliegt wie ein Unterwäschemodel beim sexy Fotoshooting. In Lorys Augen aber bewirkt es offensichtlich genau das Gegenteil: Eine schicke Blondine in einem String-Bikini liegt auf dem Bett ihres Freundes und wirft sich in Pose.
Bitte, echt, guck mich nicht so an.
Lory setzt sich auf die Bettkante, zündet sich eine Zigarette an und schaut ins Leere.
»Lory! Was machst du da? Komm her!«, sagt Alberto.
»Ich will euch nicht stören«, sagt sie genervt.
Stella steht auf und geht zur Tür.
So können sie in Ruhe ihre Streitereien ausleben.
Lory schaut ihr zu, wie sie das Zimmer ihres Freundes verlässt und ihre Klamotten aus dem Kinderzimmer holt, ihre Augen sind voller Verachtung, aber sie sagt kein Wort, während Stella unbeholfen versucht, in ihre Jeans zu schlüpfen.
Wie soll ich ihr erklären, dass mit Alberto nichts gelaufen ist?
»Stella«, sagt Alberto voller Panik, »wo gehst du hin? Was machst du?«
»Ich gehe Zigaretten kaufen.«
»Kauf noch einen Schwangerschaftstest dazu«, schreit Lory.
Stella rennt weg. Sie macht die Tür hinter sich zu und geht runter zum Strand.
Es wird Zeit, dass ich diesem ganzen Schlamassel aus dem Weg gehe.
Sie klettert zwischen den Felsen durch, zerschrammt sich dabeidie Füße, breitet die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten. Als sie das Wasser erreicht, hält sie den rechten Fuß hinein, zuerst nur die Zehenspitze, es ist eiskalt, sie bekommt Gänsehaut. Sie hält auch den anderen Fuß ins Wasser, ihre Zähne klappern. Nach einer Weile gewöhnt sie sich an die Temperatur und geht bis zu den Knöcheln hinein.
Außerdem habe ich nichts getan, warum sollte ich mir Sorgen machen?
Sie beobachtet die Kräuselung der Wellen, spürt deren Bewegung an den Knöcheln. Die Sonne lässt das türkisblaue Wasser heller und durchsichtiger erscheinen. Stella geht noch ein Stück weiter hinein, bis ihr das Wasser bis zu den Hüften reicht. Sie hat die Arme in die Höhe gestreckt, dann springt sie hinein. Dort unten ist es kalt, aber es ist nicht die Art Kälte, die du spürst, wenn du nachts ein großes, unmöbliertes Haus betrittst, es ist eher eine saubere, erholsame Kälte; die Kälte der Reinheit.
Schwimm, schwimm, schwimm.
Sie öffnet die Augen unter Wasser, sieht all das Türkisblau und wird von einem Wohlgefühl erfasst. Sie bewegt ihre Arme und Beine in kleinen Kreisbewegungen. Als sie wieder auftaucht, ist kein Strand zu sehen, also taucht sie wieder ab und schwimmt in die Gegenrichtung, bis sie wieder stehen kann.
Kaum dass sie aus dem Wasser ist und sich auf das Badetuch gesetzt hat, spürt sie die Kälte, zieht die Knie an die Brust, verschränkt die Arme davor und kauert sich zusammen.
Und jetzt?
Weitere Kostenlose Bücher