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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilaria Palomba
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Rucksack auf und kehrt ins andere Zimmer zurück. Sie findet, es ist höchste Zeit,sich auf den Weg zu machen. Lory umarmt sie, hält sie fest, öffnet ihr die Tür und wirft Alberto einen komischen Blick zu.
    »Komm, Stella, lass uns zu mir gehen.«
    Er steht wie versteinert da und wirkt nun doch verärgert.
    »Meldet euch, wenn ihr fertig seid«, ruft er.
    Arm in Arm verlassen die beiden Mädchen die Wohnung.

DER GEBURTSTAG
    »Wo bist du? Was machst du?«
    »Ich bin gerade nach Hause gekommen. Ich war bei Lory ...«
    Ich hab’ die Frau gefickt, die du ficken wolltest, du verdammtes Arschloch, du sollst verrecken!
    »Darf ich ehrlich zu dir sein?«
    »Ja.«
    »Ich wollte dir sagen, dass du mich mehr erregst als irgendeine andere. Ich möchte alles mit dir erleben.«
    Du verlogener Dreckskerl, verrecke.
    »Meintest du nicht, du wolltest keine Beziehung?«
    »Vielleicht nicht gleich eine Beziehung, aber du machst mich wirklich an, ich fühle mich mehr zu dir hingezogen als zu allen anderen. Im Vergleich zu dir sind die anderen nichts, nicht mal Lory. Ich möchte mit dir jede erotische Erfahrung teilen, bist du einverstanden?«
    Warum fragst du nicht Lory, ich dachte, sie gefällt dir so sehr? Warum schlägst du den anderen nicht diesen Scheiß vor?
    »Morgen ist mein Geburtstag. Wenn du mich anrufst, feiern wir zusammen, nur du und ich!«
    Diesmal drücke ich dir eine Zigarette auf der Haut aus.
    »Klar, ich rufe dich morgen an.«
    Stella legt das Handy weg. Hinter der Tür wird geschrien.
    »Verschwinde! Verschwinde, Nicola, hau ab!«
    »Monica, mach kein Theater, sie ist nur eine Bekannte.«
    Was für ’ne beschissene Familie.
    Stella versucht, sich auf Sartres Worte zu konzentrieren. Sie heftet die Augen auf die Seiten und wiederholt mit lauter Stimme jeden Satz, um nicht von dem Geschrei abgelenkt zu werden: »... und trotzdem bekommt diese menschliche Realität, durch die die Platzierung zu den Dingen kommt, ihren Platz unter den Dingen, ohne irgendwie Herrin darüber zu sein.«
    Die Wahrheit ist, dass wir unseren Trieben ausgeliefert sind.
    »Nicola, du bist ein Schwein«, ruft es aus dem Nebenzimmer.
    Wir sind vollkommen in der Gewalt der Dinge, die uns umgeben.
    »Monica, jetzt gib mir nicht die ganze Schuld.«
    Wir sind ebenfalls Dinge.
    »Dir ist auch deine Tochter scheißegal!«
    Merci.
    »Was redest du da? Stella ist mir sehr wichtig.«
    Wir können uns nicht widersetzen.
    »Wenn wir dir was bedeuten, wie kannst du dann tatenlos dabei zusehen, dass sie tagelang nicht nach Hause kommt? Warum vergeudest du dann deine Zeit mit deinen Chatbekanntschaften?«
    Wir können nicht über unser Leben entscheiden.
    »Du irrst dich. Stella redet mit mir, dich hasst sie.«
    Wir können nur schreien.
    »Tatsächlich? Dann gehen wir jetzt zu ihr und sagen ihr, was los ist.«
    »Scheiße, hört auf«, schreit Stella, »ich muss lernen! Könnt ihr nicht leise streiten?«
    Auf der anderen Seite Wüstenstille. Stella geht nicht aus dem Zimmer, sie schaut nicht nach, was passiert. Sie konzentriert sich auf den Text, weil dieses Buch alles ist, womit sie im Augenblick zu tun haben möchte.
    Sie schließt die Tür ab, legt sich auf das Bett, »Das Sein und das Nichts« in den Händen. Sie liest Wort für Wort, stellt Vermutung um Vermutung an, sucht nach den verborgenen Bedeutungen dieser Worte, nach realem Bezug zu ihrem Leben. Sie liest, liest noch einmal und wiederholt die Worte des Buches.
    Jemand klopft an die Tür: »Kommst du bitte raus?«, sagt ihr Vater von der anderen Seite. Sie antwortet mit Sartres Worten.
    »Das Selbstbewusstsein ist die Selbstbestimmung des Ichs infolge der Begegnung mit dem Anderen-als-Ich«, wiederholt Stella.
    »Stella, hör auf damit und komm raus.«
    »Das Sein ist ein Überbleibsel des Nichts«, antwortet sie. Sie machen so weiter, bis Nicola sie verflucht und erklärt, sie sei genau wie ihre Mutter, sie könne nicht zuhören. Stella inhaliert den menschlichen Geruch der Seiten, die von so vielen Händen berührt worden sind, und atmet zischend aus, während ihr Körper tiefer in die Matratze sinkt.
    Wollen wir doch mal sehen, ob es in diesem Hause möglich ist, sich zu konzentrieren.
    Sie liest, bis sie um zwei Uhr einschläft.
    »Stella, machst du die Tür auf? Wir haben eine Überraschung für dich.«
    Sie weiß nicht, wie lange es her ist, seit sie ihnen zuletzt geantwortet hat. Sie sieht auf die Uhr: Es ist kurz nach zwölf. Als sie aufsteht,um die Tür zu öffnen, ist sie schon auf

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