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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilaria Palomba
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weh. Ihr ist schwindlig, alles dreht sich wie ein Propeller. Sie stellt sich unter die Dusche und schrubbt sich gründlich die Haut ab, presst die Augen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten. Doch die fließen in Strömen, ohne sie um Genehmigung zu bitten.
    Ich hasse mich.
    Stella reibt erst mit dem Schwamm über die Arme, dann mit den Fingernägeln, zerkratzt sich ihre Haut.
    Ich hasse mich. Ich hasse mich.
    Sie schleppt sich vor den leeren Kleiderschrank, wo sie sich im Spiegel sehen kann. Ihre Augenringe sind so breit wie Nacktschnecken. Das Spiegelbild bewegt sich von allein.
    Stella schreckt hoch. Ihr Spiegelbild sieht ihr in die Augen, grinst sie an und die Bewegung der Lippen flüstert:
    »Ungeschminkt bist du ein Nichts.«

DER BRIEF
    »Wo bist du?«
    Was ist das für eine Trauerstimme?
    »Du musst sofort nach Hause kommen.«
    »Papa, verdammt, was ist denn los? Ich muss in zehn Minuten in ein Seminar.«
    »Hast du mich nicht verstanden, zum Teufel? Du machst dich sofort auf den Weg und kommst nach Hause, verstanden? Es ist etwas für dich gekommen, und das ist kein Liebesbrief!«
    »Ja, das war wohl, als ich ohne Fahrkarte unterwegs war ...«
    »Von wegen Fahrkarte – ich spreche von einer Anzeige der Polizei. Du sollst morgen beim Gesundheitsamt vorstellig werden, bei der Drogen- und Suchthilfe!«
    Scheiße, dieser Brief also.
    Stella legt auf und schlägt die Hände auf die Knie. Sie spürt einen bitteren Geschmack im Rachen, ihre Sicht verschwimmt.
    Es reicht, ich hau ab, ich fliehe irgendwohin.
    Sie läuft durch den Gang, verlässt das Uni-Gebäude und denkt über die Möglichkeit nach, wirklich abzuhauen.
    Aber wohin?
    Tina und der Checker haben sie zum Teufel gejagt, Donato ist der Allerletzte, den sie jetzt sehen möchte. Sie kann Lory anrufen, natürlich, und zu ihr nach Castel di Travia fahren, oder Carla, oder sogar Marco.
    Nein, Marco nicht, besser er erfährt nicht, dass ich in der Scheiße stecke.
    Sie versucht nacheinander Lory, Alberto und dann Carla anzurufen. Niemand ist erreichbar.
    Was ist bloß los, ist das die Rache des Schicksals dafür, wie ich Donato behandelt habe?
    Ihr bleibt keine andere Wahl, sie muss zurück nach Hause und sich mit ihren Eltern auseinandersetzen.
    Ich muss einfach klarmachen, dass die Drogen nicht von mir waren.
    Sie quetscht sich in den vollen Bus in eine stinkende Wolke aus Mundgeruch und Schweiß. Als ihre Haltestelle kommt, möchte sie am liebsten weiterfahren, nicht aussteigen, alles hinter sich lassen und woanders hinfahren. Aber stattdessen: Sie drückt den roten Knopf, sie bahnt sich einen Weg durch die Menge, tritt links und rechts den Leuten auf die Füße, sie befreit sich von dem Gestank und löst sich mit einem Satz aus der menschlichen Fleischmasse.
    Also hat der Glatzkopf nur Marco und Carla aus der Scheiße gezogen.
    Stella schließt das Gittertor auf, die Kälte des Metalls kriecht ihr unter die Haut.
    Im Fahrstuhl schaut sie sich die ganze Zeit im Spiegel an und wiederholt wirres Zeug, um sich Mut zu machen.
    Du musst sie nur reden lassen, sie machen ihrem Ärger Luft, und dann ist alles vorbei.
    Als sie den Schlüssel ins Schlüsselloch steckt, kommt ihr jemand zuvor und reißt die Tür auf. Ihre Mutter trägt noch einen Morgenmantel, was bedeutet, dass sie heute nicht zur Arbeit gegangen ist. Ihre Augen sind vom langen Weinen verquollen und wütend. Sie wedelt vor Stellas Gesicht mit der Strafanzeige herum.
    »Was in Gottes Namen ist das bitte?«
    Stella zittert.
    Ich glaube, du hast das schon sehr gut allein herausgefunden.
    Sie schweigt.
    »Sag mir, was diese Sache hier bedeutet, bevor ich fuchsteufelswild werde«, schreit ihre Mutter.
    Und nun? Was soll ich jetzt machen?
    »Das ist kalter Kaffee«, sagt Stella leise.
    »Von wegen kalter Kaffee! Du hast deine Zukunft ruiniert, weißt du, dass du fünf Jahre lang von allen öffentlichen Stellen ausgeschlossen bist? Ich fasse es nicht, dass meine Tochter drogensüchtig ist!«
    Du wolltest doch, dass eine Scheiß-Philosophielehrerin aus mir wird.
    »Das stimmt nicht.«
    »Was stimmt denn daran nicht?« Monica hält Stella an den Handgelenken fest und schleift sie in ihr Zimmer. »Die Marihuanaphase liegt also hinter dir, und jetzt ziehst du dir lieber ein bisschen Pulver rein!«
    Dann fällt ihr etwas auf, etwas raues, geschwollenes unter ihren Fingern. Sie beschaut Stellas Arme.
    »Was sind das für Abdrücke hier?«
    »Nichts«, erwidert Stella und windet sich aus dem Griff.
    Ihr Vater

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