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Tuchfuehlung

Tuchfuehlung

Titel: Tuchfuehlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johannknecht
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lässt ein paar Brillengestelle mitgehen. Die teuersten. Armani. Jil Sander. Lagerfeld. Du gibst sie mir. Ich kümmer mich um den Verkauf. Und wir teilen den Gewinn.»
    Mein Herz klopft. Ich nehme die vierte Zigarette aus der Packung. «Rauchen verursacht Krebs.» Ich trinke das Glas leer, schau ihn an ...
    «Jede Woche ein Gestell, und du hast die dreitausend in einem Jahr zusammen.»
    Jede Woche ein Gestell! Würde das auffallen? Zählt er etwa jede Woche seine hunderttausend Brillengestelle? Sicher nicht!
    Alex bestellt eine neue Runde.
    «Ihm täte es überhaupt nicht weh, weißt du. Er ist schließlich versichert. Aber ich, Zeno, ich hätte dann meine Maschine. Meine 8 0 er. Mein Traum! An den komme ich sonst nie!»
    «Nicht schlecht! Wirklich nicht schlecht!», sage ich. Diesmal meine ich wirklich genau das, was ich sage.
    «Ich überleg es mir und sag dir Bescheid!»
    «Es bleibt unter uns! Kannst mir vertrauen!», sagt er. Für einen Moment legt er seine Hand auf meinen Arm.
    «Tom und Jannik erfahren nichts! Versprochen!»
    Ich schau ihn an und glaube ihm.
    Sein Blick ist jetzt ohne jeden Hinterhalt. Ich könnte ihm vertrauen. Aber ob ich mich jemals traue?
    Irgendwann ist die Packung leer.
    Irgendwann sind die Bierdeckel voll.
    Irgendwann hört Jimmy Cliff auf, und Joe Cocker fängt an.
    Irgendwann ist die Kerze vor uns heruntergebrannt.
    Irgendwann weiß ich, dass Alex bei Pflegeeltern lebt.
    Irgendwann sagt er: «Ich muss los, sonst krieg ich Ärger. Und ins Heim will ich nicht zurück. Nie, nie mehr!»
    Er geht in Richtung Norden. Ich geh in Richtung Süden.
    Es hat immer noch nicht aufgehört zu regnen. Aber mir ist warm, angenehm warm. Mein Kopf ist benebelt. Eingehüllt wie in weiche Wattewolken.
    Die Fenster in der Mozartstraße 10 sind dunkel. Nur unten, bei den neuen Mietern, brennt noch Licht. Ich höre Stimmen, ich höre Lachen, ich höre Musik. Mozart oder Bach?
    Im Treppenhaus fällt mein Blick auf einen roten Zettel an der Wand.
    Der ist neu.
    Zwei Sätze, eine Adresse, eine Telefonnummer.
    Babysitter gesucht!
    Mozartstr. 10. Telefon 86 32 86.
    Wer kann uns helfen?
     
    Ich scheuche die Wattewolken weg, werfe einen neuen Blick auf den roten Zettel, schau auf die Uhr. Es ist elf. Das ist spät. Verdammt spät sogar, aber sie sind noch wach. Ich zögere nicht. Der Rotwein fegt alle Bedenken aus meinem Kopf.
    «Tu ’ s einfach!»
    Ich drücke auf den Klingelknopf. Ich weiß nicht, wie lange ich warte. Irgendwie ist mir im Laufe des Tages mein Zeitgefühl abhanden gekommen. Ich will gerade gehen. Da öffnet sich die Tür.
    Ein Mann steht vor mir. Jung, blond. Es ist der Mann, der immer das Kind auf den Schultern trägt. Ganz offensichtlich trägt er nichts außer diesem kurzen Bademantel. Tiefschwar ze, glänzende Seide! Ich muss mich festhalten. Mir wird schwindelig. Irgendwie drohen mir die Beine wegzusacken. Unter dem schwarzen Stoff sehe ich seine glatte Haut, vom Sommer noch braun. Oder von der Sonnenbank.
    Er lächelt, wie er immer lächelt, sagt« Hallo », so wie er immer «Hallo» sagt.
    Schaut mich fragend an.
    Schritte nähern sich.
    «Was ist?», fragt eine Stimme im Hintergrund. Die Stimme eines Mannes.
    Dann steht auch er vor mir. Auch er im Bademantel. Grauschwarz-gestreift. Auch er darunter nackt. Sie sehen sich ähnlich. Ungefähr die gleiche Größe, das gleiche Gewicht, auch das Alter. 30 bis 35, schätze ich. Der Grauschwarze ist dunkler, kräftiger. Die Augen braun, nicht blau ... Mir wird seltsam heiß. Ich öffne den Reißverschluss der Lederjacke.
    «Entschuldigung!», sage ich und zeige auf den Zettel.
    «Komm rein!», sagt der Blonde. «Ich bin Markus, das ist Michael! Und wer bist du?»
    «Zeno!»
    Im Wohnzimmer brennt keine Lampe. Nur Kerzen hier und da. Weiße Kerzen in Metallständern, schwimmende Kerzen in Wasserschalen. Es ist warm und gemütlich. Es riecht gut. Aufregend und exotisch. Ich weiß nicht, welche Gerüche das sind. Ihr Parfüm ? Aromalampen ? Das Obst in der Schale ?
    Das Zimmer ist ziemlich leer. In der Ecke eine schwarze Ledercouch. Zwei Sessel, eine Musikanlage auf dem Boden, viele grüne Pflanzen, an den Wänden Bilder. Große Ölbilder, abstrakte Formen in leuchtenden Farben. Eine Glasvitrine mit kleinen Skulpturen neben der Tür. Mehr nicht. Auf dem Parkettboden ein heller Teppich. Und ich in Lederstiefeln!
    « Setz dich!», sagt Markus.
    «Magst du was trinken?», sagt Michael.
    Wo ist die Frau? Das Kind? Sind das Brüder? Oder Freun de? Ist das

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