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Tuchfuehlung

Tuchfuehlung

Titel: Tuchfuehlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johannknecht
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zuvor gehört habe.
    Ich muss ihn anschauen, jetzt, wo er es nicht merkt. Ich finde ihn schön. Aber es ist nicht nur seine Schönheit, sein schlanker muskulöser Körper, der mich anzieht. Nein, es ist eher diese Unschuld in seinem Gesicht und die Wärme und Freundlichkeit seines Lächelns. Seine Jeans sind an den Beinen hochgerutscht. Ich sehe ein Stück seiner Haut, dieser glatten schwarzen Samthaut. Ich möchte ihn berühren. Nur noch einmal ganz leicht seine Haut berühren. Doch er steht auf, nimmt das Mädchen an die Hand, lächelt über das ganze Gesicht, sagt «tschüs» und steigt aus.
    Ich bleibe zurück. Allein und verwirrt. Wohin fahre ich eigentlich?
    Zeno Zimmermann, du solltest dir langsam überlegen, wo du diese Nacht verbringen willst.
    An der nächsten Haltestelle steige ich aus und fahre zurück. In die Mozartstraße. Wo soll ich sonst hin?
     
    Auf dem Bahnhof dann wieder dieser Duft, der mich fast schwindelig macht. Ich kann nicht widerstehen, ganz egal, ob mir schlecht wird oder nicht. Ich stopf mir noch einmal drei öltriefende Reibekuchen rein. Gierig, fast wie ausgehun gert, nach sechs Jahren ...
    Ich lecke mir gerade die Finger ab, da spür ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich erschrecke und dreh mich vorsichtig um.
    Alex steht vor mir! Und die anderen ? Nein, kein Tom, kein Jannik.
    Alex ist heute allein.
    «Kommst du mit auf ein Bier?»
    «Ich mag kein Bier.»
    « Dann eben Cola, komm!»
    Alex schleppt mich ab. Ich lasse mich abschleppen. Heute ist mir sowieso alles egal. Und eigentlich bin ich sogar froh, dass ich Alex getroffen habe. Egal, was passiert! Raus in die Kälte, in den Regen, der so aussieht, als hätte er die Sonne für immer vertrieben.
    Ich hab keine Ahnung, wo er mich hinschleppt. Wir sind in der eher hässlichen Gegend unserer Stadt. In der Nordstadt. Hier wohnen die Armen, die Ausgeflippten, die Alternati ven, die Ausländer, die Sozialhilfeempfänger, die Alkoholi ker. Hier passieren die meisten Überfälle. Allein würde ich mich niemals durch dieses Viertel trauen.
    Dann, irgendwann, als kein einziges Haar mehr trocken ist, als selbst meine neuen, hohen Lederstiefel durchnässt sind, öffnet Alex eine Tür. «Lenz» heißt die Kneipe. Sie ist einfach und schlicht, aber die Atmosphäre irgendwie eine besonde re. Runde Bistro-Tische, einfache Bistro-Stühle, ein paar alte rote Plüschsofas, Poster an den Wänden, Plakate von alten Filmen, Kerzen auf den Tischen und eine Musik, die mich tröstet und wärmt. Heiterer, anheizender Reggae von Jimmy Cliff.
    «Was trinkst du?»
    «Rotwein», sage ich und denke an meinen «Gelöschten Wein».
    Für sich bestellt Alex ein Bier und eine Schachtel Camel.
    «Willst du?»
    Ich mag eigentlich keine Zigaretten. Mir haben sie nie geschmeckt. Ich hab ihn nie gemocht, diesen rauchigen Geschmack in meinem Mund. Ich musste mir nach jeder Zigarette die Zähne putzen.
    Ich greife in die Packung. In der rechten Hand das Rotweinglas, in der linken die Zigarette. Ich glaube, jetzt kann mir nichts mehr passieren.
    Sie schmeckt mir immer noch nicht, die Zigarette. Ich mag ihn einfach nicht, diesen beißenden, bitteren Geschmack im Mund. Aber mir gefällt, dass ich etwas in der Hand halte, mir gefällt, dass ich was zu tun habe. Mit der Zigarette in der Hand fühle ich mich seltsam sicher. Ich drücke sie aus, puste den letzten Rauch in die Luft und nehme eine neue Zigarette aus der Packung. Ich bestelle ein zweites Glas Rotwein. Ich fühl mich gut. Richtig gut. Dieser Abend ist gerettet. An die Nacht denke ich jetzt noch nicht.
    «Was ist los? Du redest ja noch weniger als sonst. Siehst irgendwie nach Stress aus!»
    «Hab ich auch. 3000 Mark Schulden. Hast du ‘ ne Idee, wie ich so viel Geld zusammenkrieg? Ein Jahr hab ich Zeit!»
    Er schaut mich an. Mit diesem Blick. Aber heute fürchte ich ihn nicht. Mein Panzer ist heute doppelt gesichert. Mit Leder und Zigarette.
    «Ich hab mit meiner Schwester telefoniert. Die ist für ein Jahr in New York. War wohl ein bisschen viel. Mein Vater hat den totalen Anfall gekriegt.»
    Alex grinst.
    «Ich wüsste schon was! Aber ich weiß nicht, ob du dich darauf einlassen kannst.»
    Er schiebt mir die Packung rüber. «Rauchen gefährdet die Gesundheit!»
    Ich greife zu. Das Zischen des Streichholzes, die Flamme, der erste Zug. Ich gewöhne mich schon daran, ja, mit dieser dritten Zigarette bin ich wahrscheinlich schon Raucher geworden.
    Ich schau ihm ins Gesicht. Alex grinst immer noch.
    «Ganz einfach. Du

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