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Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees

Titel: Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Gottschlich
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keine wirkliche politische Lösung des Konfliktes in Sicht ist. Trotz einiger Konzessionen, wie die Zulassung kurdischer Radioprogramme und kurdischer Musik und eine weitgehende Akzeptanz der kurdischen Sprache im Alltag, blieben die Reformen bislang Stückwerk. Schulunterricht in kurdischer Sprache ist nach wie vor verboten, lediglich private Sprachkurse als Freizeitvergnügen wurden erlaubt.
    Am auffälligsten ist die Unzulänglichkeit der Reformen beim Thema kurdisches Fernsehen. Nach langem Hin und Her wurde beschlossen, dass das staatliche Fernsehen TRT fünf Stunden in der Woche ein Programm in kurdischer Sprache anbietet. In diesen Sendungen geht es dann hauptsächlich um Folklore und Heimatfilme. Aktuelle politische Fragen werden nicht behandelt. Das führt dazu, dass fast ausnahmslos alle Kurden in der Türkei das von einer PKK -nahen Organisation im europäischen Ausland zusammengestellte und via Satellit in die Türkei übertragene »Freiheitsprogramm« Roj-TV anschauen. Selbst PKK -kritische Kurden schauen mangels Alternative dieses Programm, das zur Zeit von Dänemark aus gesendet wird. Die dänische Regierung hat sich bislang geweigert, türkischem Drängen nach Schließung des »Terroristensenders« nachzukommen. Dabei gäbe es für die türkische Regierung ein leichtes Mittel, Öcalan von den Bildschirmen in türkischen Haushalten zu verdrängen. Sie bräuchte nur ein in der Türkei produziertes kurdisches Vollprogramm zuzulassen, so dass die Leute eine Alternative zum PKK -Fernsehen hätten. Doch das geht den Hardlinern in Ankara zu weit.
    Inzwischen ist es allerdings fraglich geworden, ob die Konflikte noch mit kulturellen Zugeständnissen zu lösen sind oder nicht längst über echte politische Mitbestimmung geredet werden müsste. Eine Chance dazu böte seit den Wahlen im Sommer 2007 sogar das Parlament. Erstmals in der Geschichte der Republik gelang es im Juli 2007 der pro-kurdischen Partei DTP, genügend Abgeordnete in das nationale Parlament zu entsenden, um eine eigene Fraktion bilden zu können. Doch weil diese Fraktion es ablehnt, sich öffentlich von der PKK zu distanzieren, wird sie von allen anderen Parteien geschnitten. Zwar wäre es tatsächlich wünschenswert, dass die DTP sich von der PKK emanzipierte und zu einer eigenständigen zivilen politischen Vertretung der Kurden würde, doch das bräuchte Zeit und einige politische Erfolge. Die ultimative Forderung, sich zuallererst vom »kurdischen Terror« zu distanzieren, verhindert bislang eine Politik der kleinen Schritte. Dabei entsteht mit dem kurdischen De-facto-Staat im Nordirak für die türkische Politik eine ganz neue Lage, die für den Zusammenhalt des Landes wesentlich bedrohlicher werden könnte, als es die PKK je war. Wenn die türkische Politik die kurdische Minderheit weiterhin vernachlässigt und als Menschen zweiter Klasse behandelt, werden diese ihre Hoffnungen an das autonome Kurdistan im Nordirak knüpfen. Was mit einer politisch eher wirren Guerilla begann, könnte dann zu einer echten Sezessionsbewegung werden.
    Die Türkei und die EU
    Anfang 2008 war das Verhältnis der Türkei zur EU nach einer Phase intensiver Annäherung in den Jahren 2002 bis 2005 mal wieder auf einem Tiefpunkt angelangt. Die Beitrittsverhandlungen stagnierten seit gut einem Jahr und weder die türkische Regierung noch die entscheidenden EU -Länder taten etwas dafür, damit der Beitrittsprozess wieder in Gang kam. Auf türkischer Seite waren dafür zum einen ein turbulentes Jahr 2007 , in dem sowohl Parlaments- als auch Präsidentschaftswahlen stattfanden, als auch eine ganz allgemeine zunehmende Frustration gegenüber der EU verantwortlich. Die türkische Regierung, aber auch die Öffentlichkeit im Allgemeinen, interpretierten die Entwicklung innerhalb der EU als einen Prozess zunehmender Ablehnung einer türkischen Mitgliedschaft und reagierten entsprechend verschnupft. Erwartungen der EU -Kommission wurden deshalb ignoriert, Forderungen aus Brüssel nach bestimmten Reformen, wie beispielsweise endlich die Meinungsfreiheit auch bei sogenannten Tabuthemen zuzulassen, liefen ins Leere. Ein berüchtigter Paragraph im Strafrecht, nach dem die »Beleidigung des Türkentums« mit Gefängnis bestraft werden kann, wurde trotz massiven Drucks aus Brüssel nicht abgeschafft, obwohl verschiedene Anklagen – wie die gegen den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk und andere Schriftsteller – die Türkei weltweit in Verruf brachten.
    Die anfängliche EU

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