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Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees

Titel: Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Gottschlich
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Deutschland, doch die Wenigsten wurden dort glücklich. Es gab keine wirkliche Verbindung zu den Arbeitsmigranten, die in den 1960 er und 70 er Jahren nach Deutschland eingewandert waren, und nur wenige von ihnen wurden in Deutschland politisch heimisch. Anfang der 1990 er Jahre gingen die meisten zurück in die Türkei.
    Um die Linke zurückzudrängen, schufen die Generäle damals die Basis für die Renaissance des politischen Islam in der Türkei. Religionsunterricht an den Schulen wurde zum Pflichtfach, und die Imam-Hatip-Schulen zur Ausbildung von Imamen erhielten massive Förderungen. Während jeder linke Verein unterdrückt und verfolgt wurde, konnte sich die islamistische Jugendbewegung, zu der damals auch der heutige Ministerpräsident Tayyip Erdogan gehört, ungehindert ausbreiten. Evren ließ 1981 eine Verfassung schreiben, die viele demokratische Rechte unter Vorbehalt des Staates stellte – insbesondere Gewerkschaftsrechte –, und ließ den Einfluss des Militärs durch die Festschreibung des Sicherheitsrates ( MG K) in der Verfassung auch rechtlich zementieren.
    Die bis heute anhaltende Schwäche der Linken ist die eine verheerende Langzeitwirkung des Putsches. Die andere liegt im Erstarken des politischen Islam. Nach dem Motto: »Die Geister, die sie einst riefen, werden sie nun nicht mehr los«, wird der politische Einfluss des Militärs heute nicht von der Linken bekämpft, sondern von der islamistischen Rechten. Nicht eine breite demokratische linke Bewegung weist die Militärs in die Schranken, sondern die islamisch grundierte AKP von Ministerpräsident Erdogan. Das türkische Drama derzeit ist, dass die konservative islamische Rechte zwar stark genug ist, den autoritären Anspruch des Militärs und der alten kemalistischen Elite innerhalb der Bürokratie zurückzuweisen, die demokratische Linke aber viel zu schwach ist, um gleichzeitig echte individuelle Freiheitsrechte durchzusetzen. Die Hoffnung, dass diese Aufgabe auch die AKP übernehmen würde – und es sei auch nur, um für einen EU -Beitritt punkten zu können –, erweist sich immer mehr als trügerisch.
    Christen in der Türkei
    Wenn heute irgendwo in Deutschland eine neue Moschee gebaut wird, taucht über kurz oder lang die Frage auf: Warum dürfen die Muslime eigentlich hier Moscheen bauen, wenn man doch in der Türkei keine Kirchen bauen darf? Gegner von Moscheebauten erzielen in Bürgerversammlungen mit dieser Frage immer große Erfolge, denn der Appell an den Gleichheitsgrundsatz erscheint einleuchtend. Aber stimmt es überhaupt? Dürfen in der Türkei keine Kirchen gebaut werden?
    Was die wenigsten Diskutanten in solchen Veranstaltungen wissen oder aber wohlweislich verschweigen, ist: Es gibt in der Türkei weit mehr Kirchen als Christen, die sie füllen könnten. Für neue Kirchen gibt es in der Regel überhaupt keinen Bedarf, von einigen speziellen Ausnahmefällen abgesehen. Die meisten Kirchen in der Türkei gehören entweder der griechisch-orthodoxen oder der armenischen Gemeinde. Im Südosten der Türkei gibt es darüber hinaus noch Kirchen und Klöster der assyrischen Christen, eine uralte orthodoxe Gemeinde, die als Liturgiesprache immer noch Aramäisch, also die Sprache Jesu, verwendet.
    Vor allem in Istanbul und Izmir gibt es darüber hinaus katholische Kirchen, die entweder zur italienischen oder französischen Community gehören, und evangelische Gemeinden, die ursprünglich zur deutschen Botschaft gehörten. Diese Kirchen werden bis heute ganz überwiegend von Angehörigen dieser Nationen, die vorübergehend oder auf Dauer in der Türkei leben, besucht, und reichen von ihrer Kapazität völlig aus.
    Einen Bedarf für neue Kirchen gibt es bei zwei Gruppen. Das sind zum einen Rentner aus den westlichen EU -Staaten – Deutsche gehören dabei zur stärksten Gruppe –, die ihren Lebensabend am sonnigen Mittelmeer verbringen und in den letzten 15 Jahren besonders in Antalya und Alanya so große Gemeinden gebildet haben, dass dort der Ruf nach der Errichtung neuer christlicher Kirchen laut geworden ist.
    Die letzte und gleichzeitig problematischste Gruppe sind sogenannte freikirchliche, evangelikale Gemeinden, meist aus den USA oder aus Korea, die in der Türkei christliche Mission betreiben wollen und gemeinsam mit muslimischen Konvertiten dann neue Gemeinden gründen. Offiziell ist Missionieren in der Türkei nicht verboten – man ist ja ein laizistischer Staat, und der Islam ist in der Theorie nur eine Religion unter

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