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Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees

Titel: Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Gottschlich
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anderen –, tatsächlich sind diese Missionare jedoch größten Schwierigkeiten ausgesetzt. Das hat zwei Gründe: Konvertieren gilt im Islam als Todsünde. Auch wenn das in der Türkei rechtlich keine Rolle spielt, ist der Abfall vom Islam unter Muslimen doch absolut verpönt. Konvertiten gelten als Verräter. In der Türkei kommt hinzu, dass Missionare insbesondere innerhalb der türkischen Rechten und selbst bei den linksnationalistischen Kemalisten als Feinde von außen angesehen werden, die spionieren und das Land spalten wollen.
    Das geht zurück auf die Rolle, die Missionare teilweise in der Schlussphase des Osmanischen Reiches gespielt haben, als Aufstände der christlichen Untertanen zum Untergang des Imperiums entscheidend beitrugen. Diese geschichtliche Erfahrung lässt sich noch heute leicht von nationalistischen Gruppen instrumentalisieren. Traurigstes Beispiel dafür war die Ermordung von drei Mitarbeitern eines Bibelverlages im anatolischen Malatya im Frühjahr 2007 , wo vier aufgehetzte nationalistische Jugendliche einen deutschen Missionar und zwei türkische Konvertiten brutal ermordeten. Diese Freikirchen sind aber auch die einzigen, die in der Türkei missionieren. Wenn es hochkommt, haben sie vielleicht 10000 Mitglieder. Die griechische und die armenische Kirche lehnen muslimische Konvertiten strikt ab. Auch die offiziellen katholischen und evangelischen Gemeinden kümmern sich im Wesentlichen um ihre eigenen Leute.
    Die Frage, darf man in der Türkei eine Kirche bauen, ist deshalb nicht so einfach mit Ja oder Nein zu beantworten. Im Prinzip ja, im konkreten Fall gibt es aber viele Schwierigkeiten, die sich bei den einzelnen christlichen Glaubensgemeinschaften stark unterscheiden.
    Die traditionellen christlichen Kirchen in der Türkei, die griechisch-orthodoxe und die armenische Kirche, sind durch den Friedensvertrag von Lausanne ( 1923 ) anerkannte christlicheMinderheiten. Als dieser Friedensvertrag geschlossen wurde, standen Griechen und Armenier allerdings vor den Trümmern des Krieges beziehungsweise der Massenmorde an den Armeniern von 1915 bis 1918 . Von den einstmals 1 , 5 Millionen Armeniern waren nur noch rund 200000 in Istanbul und Izmir übrig geblieben.Armenischer Besitz inklusive vieler armenischer Kirchen war beschlagnahmt worden. Durch Auswanderung ist die armenische Gemeinde in der Türkei bis heute auf rund 80000 Mitglieder geschrumpft. Ihr Immobilienbesitz ist in einer Stiftung zusammengefasst, über die die armenischen Gemeinden nur in Absprache mit staatlichen Stellen verfügen können. Ihre Alltagsprobleme sind der Erhalt ihrer Kirchen trotz schrumpfender Gemeinden und der Kampf gegen die Verstaatlichung kirchlichen Eigentums, weil es ja angeblich mangels Mitgliedern nicht mehr gebraucht wird.
    Die Situation der griechisch-orthodoxen Gemeinden ist ähnlich kritisch wie die der Armenier – sie werden aber von außerhalb der Türkei stärker unterstützt. Für die orthodoxe Kirche ist Istanbul, das für sie immer noch Konstantinopel heißt, nach wie vor das Zentrum ihrer Kirche und der Patriarch von Konstantinopel stellt das spirituelle Oberhaupt der gesamten Orthodoxie dar. Als Papst Benedikt XVI . im Herbst 2006 die Türkei besuchte, traf er sich in Istanbul auch mit dem Patriarchen Bartholomäus I., um auf höchster Ebene über eine Annäherung von orthodoxer und katholischer Kirche zu reden. Dieser internationalen Relevanz des orthodoxen Patriarchats steht in der Praxis eine immer kleiner werdende Gruppe griechisch-orthodoxer Christen in der Türkei gegenüber. Da nach dem griechisch-türkischen Krieg von 1920 bis 1922 ein Bevölkerungsaustausch zwischen den Griechen in Anatolien und den Türken in Griechenland stattfand, von dem auf türkischer Seite nur Istanbul ausgenommen war, ist das griechische Leben seitdem auf die ehemalige Hauptstadt und ihre Umgebung beschränkt. Nach einem Pogrom in den 1950 er Jahren wanderten die meisten Istanbuler Griechen ebenfalls nach Griechenland ab, so dass jetzt nur mehr wenige Tausend übriggeblieben sind. Auch ihr Problem ist, dass sie die vielen Kirchen, Schulen und anderen Einrichtungen der ehemals Hunderttausende zählenden griechischen Community längst nicht mehr mit Leben füllen können, geschweige denn daran denken, neue Kirchen zu bauen.
    Etwas anders ist die Situation der katholischen und evangelischen Auslandskirchen. Sie fallen nicht unter den Lausanner Vertrag und haben deshalb auch keinen eigenen Rechtsstatus. »Unter

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