Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Türkisches Gambit

Türkisches Gambit

Titel: Türkisches Gambit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
Duell mit einem Intendanten?«
    »Gott war gnädig, der Kelch ging vorüber«, antwortete der Husar leichthin. »Man hat mir gesagt, daß mein alter Freund hier ist, Erasmus Fandorin. Das stimmt hoffentlich?«
    Warja warf einen raschen Blick auf den in der hintersten Ecke sitzenden Erast Fandorin. Der stand auf, seufzte leidendund sagte verzagt: »Ippolit? Wie kommst du denn hierher?«
    »Da ist er, so wahr ich hier stehe!« Der Husar stürzte zu Fandorin und rüttelte ihn dermaßen an den Schultern, daß dessen Kopf vor und zurück flog. »Ich hab gehört, die Türken hätten dich in Serbien auf einen Pfahl gespießt! Du siehst aber schlecht aus, mein Lieber, bist nicht wiederzuerkennen. Färbst du dir jetzt die Schläfen, um imposanter zu wirken?«
    Der Titularrat hatte wirklich einen interessanten Bekanntenkreis: der Pascha von Widin, der Chef der Gendarmerie und jetzt noch dieser bildschöne Mensch mit den Raufboldallüren. Warja trat wie zufällig näher, um kein Wort zu verpassen.
    »Das Schicksal hat uns beiden mitgespielt.« Surow hörte auf zu rütteln und klopfte Fandorin statt dessen auf den Rücken. »Von meinen Abenteuern erzähle ich dir gesondert, tete à tete, das ist nichts für Damenohren.« Er warf einen neckischen Seitenblick auf Warja. »Das Finale ist das Übliche: kein Pfennig Geld, mutterseelenallein und mit gebrochenem Herzen.« (Wieder ein Blick zu Warja hin.)
    »Wer hätte das g-gedacht«, kommentierte Fandorin und wich zurück.
    »Du stotterst? Kontusion? Lappalie, das geht vorüber. Mich hat bei Kokand eine Druckwelle gegen eine Moschee geschleudert, da hab ich vier Wochen mit den Zähnen geklappert, und glaub mir, ich hab das Glas nicht an den Mund gebracht. Aber das hat sich wieder gelegt.«
    »Und wo k-kommst du jetzt her?«
    »Das, lieber Erasmus, ist eine lange Geschichte.«
    Der Husar ließ den Blick über die Klubbesucher gleiten, die ihn neugierig ansahen, und sagte: »Treten Sie ruhig näher, meine Herren, ich erzähle Erasmus nur meine Scheherazade.«
    »Odyssee«, korrigerte Fandorin halblaut und retirierte hinter den Rücken von Oberst Lucan.
    »Eine Odyssee, das ist in Griechenland, bei mir war es eben eine Scheherazade.« Surow machte eine Spannungspause, dann begann er mit seiner Erzählung. »Also, meine Herren, infolge etlicher Umstände, die nur mir und Fandorin bekannt sind, saß ich in Neapel gänzlich auf dem trockenen. Ich pumpte mir vom russischen Konsul fünfhundert Rubel, mehr rückte der Geizkragen nicht heraus, und fuhr übers Meer nach Odessa. Unterwegs ritt mich der Teufel, ein Kartenspiel mit dem Kapitän und dem Steuermann anzuregen. Die Spitzbuben haben mich bis auf die letzte Kopeke ausgeplündert. Ich protestierte natürlich, fügte dem Schiffsinventar einigen Schaden zu und wurde in Konstantinopel rausgeschmissen, will sagen, an Land gesetzt, ohne Geld, ohne Gepäck und sogar ohne Hut. Und das im Winter, meine Herren. Ein türkischer Winter und doch bitterkalt. Ich begab mich zu unserer Botschaft. Dort überwand ich alle Hindernisse und drang bis zum Gesandten persönlich vor, Nikolai Pawlowitsch Gnatjew. Ein herzensguter Mensch. Geld, sagt er, kann ich nicht leihen, ich bin prinzipiell gegen jedes Leihen, aber wenn Sie wollen, Graf, nehme ich Sie als Adjutanten zu mir, ich kann tapfere Offiziere gebrauchen. In diesem Fall bekämen Sie Reisegeld und alles andere. So bin ich Adjutant geworden.«
    »Bei Gnatjew persönlich?« Sobolew schüttelte den Kopf. »Der schlaue Fuchs muß an Ihnen einen Narren gefressen haben.«
    Surow breitete bescheiden die Arme aus und fuhr fort: »Gleich am ersten Tag meines neuen Dienstes verursachte ich einen internationalen Konflikt und einen Austausch diplomatischer Noten. Gnatjew schickte mich mit einer Anfragezu dem bekannten Russenhasser und Scheinheiligen, dem Scheich ul Islam – das ist der oberste türkische Pope, so was wie der Papst in Rom.«
    »Der Scheich ul Islam«, präzisierte MacLaughlin, der in seinem Notizbuch mitschrieb. »Er ist eher so was wie Ihr Oberprokuror des Synods.«
    »Eben, sag ich ja«, nickte Surow. »Dieser Scheich und ich, wir konnten uns von Anfang an nicht ausstehen. Ich sag ihm aufs höflichste über den Dolmetscher: ›Euer Eminenz, ein dringendes Schreiben vom Generaladjutanten Gnatjew.‹ Der Hund aber blitzt mich an und antwortet auf französisch – absichtlich, damit der Dolmetscher es nicht abmildert: ›Jetzt ist die Zeit des Gebets, warte.‹ Er hockt sich hin, das Gesicht nach

Weitere Kostenlose Bücher