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Türkisches Gambit

Türkisches Gambit

Titel: Türkisches Gambit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Spesenbetrag ausgegeben – sechshundertfünfundachtzig Francs), bemerkte mürrisch, eine solche Verteidigung kenne er nicht. Blieb nur die Frage, ob es in diesen Breiten Ende Juli immer so heiß sei. Er bejahte, fügte aber hinzu, das sei gar nichts im Vergleich zur feuchten Gluthitze von Bangalore.
    Als um halb elf die vergoldete Tür aufging und der Nachfahr des römischen Legaten angetrunken hereinkam, freute sich Warja, als wäre er ein Angehöriger, sprang auf und winkte mit ungespielter Herzlichkeit.
    Es gab freilich eine unvorhergesehene Komplikation in Gestalt eines pummeligen braunhaarigen Mädchens, das am Ellbogen des Obersts hing. Die Komplikation blickte Warja mit offener Feindseligkeit an, und Warja wurde verlegen, weil ihr gar nicht in den Sinn gekommen war, daß Lucan verheiratet sein könne.
    Aber der Oberst löste das Problem mit wahrhaft kriegerischer Entschlossenheit – er gab seiner Begleiterin mitflacher Hand einen Klaps auf ihr üppigens Hinterteil, worauf sie etwas Giftiges zischte und sich entrüstet zurückzog. Scheint nicht seine Frau zu sein, dachte Warja und wurde noch verlegener.
    »Unser Feldblümchen hat seine Blütenblätter entfaltet und sich als wunderschöne Rose entpuppt!« schmetterte Lucan und stürmte quer durch den Saal auf Warja zu. »Dieses Kleid! Dieser Hut! Mein Gott, bin ich hier auf den Champs Elysées?«
    Natürlich war er ein Geck und Plattkopf, und doch war es Warja angenehm. Sie gestattete ihm sogar einen Handkuß, entsagte ihren Prinzipien zum Nutzen der Sache. Dem Iren nickte der Oberst mit lässiger Wohlgeneigtheit zu (der war kein Rivale), dann setzte er sich ungebeten an den Tisch. Warja hatte den Eindruck, daß MacLaughlin sich auch über den Rumänen freute. Ob er es müde war, übers Wetter zu sprechen? Nein, wohl kaum.
    Die Kellner trugen die Kaffeekanne und den Kuchen weg, den der sparsame Journalist bestellt hatte, und brachten Wein, Zuckerzeug, Obst und Käse.
    »Sie werden Bukarest nie vergessen!« verhieß Lucan. »In dieser Stadt gehört alles mir!«
    »Wie meinen Sie das?« fragte der Ire. »Besitzen Sie in der Stadt bedeutende Immobilien?«
    Der Rumäne würdigte ihn keiner Antwort.
    »Sie können mir gratulieren, Mademoiselle. Mein Rapport ist nach Verdienst gewürdigt worden, und ich darf in nächster Zeit mit Beförderung rechnen.«
    »Was für ein Rapport?« fragte der Ire wieder neugierig. »Was für eine Beförderung?«
    »Auf eine Beförderung wartet ganz Rumänien«, erklärte der Oberst mit wichtiger Miene. »Jetzt steht fest, daß der russische Imperator die Kräfte seiner Armee überschätzt hat.Ich weiß aus sicherer Quelle«, er senkte vielsagend die Stimme und kitzelte Warja mit seinem gezwirbelten Schnauz die Wange, »daß General Krüdener die Führung der Westgruppe abgeben muß und daß an die Spitze der Truppen, die Plewna belagern, unser Fürst Karl tritt.«
    MacLaughlin zückte sein Notizbuch und begann zu schreiben.
    »Wie wär’s mit einer Spritztour durch das nächtliche Bukarest, Mademoiselle Warwara?« flüsterte ihr Lucan ins Ohr. »Ich zeige Ihnen Sachen, die Sie in Ihrer langweiligen nördlichen Hauptstadt nie gesehen haben. Ich schwöre, Sie werden etwas zum Erinnern haben.«
    »Ist das ein Entschluß des russischen Imperators oder nur der Wunsch des Fürsten Karl?« fragte der pedantische Journalist.
    »Der Wunsch Seiner Hoheit reicht völlig aus«, antwortete der Oberst scharf. »Ohne Rumänien und seine ruhmreiche Fünfzigtausend-Mann-Armee sind die Russen hilflos. Herr Korrespondent, mein Land hat eine große Zukunft vor sich. Bald, sehr bald wird Fürst Karl König sein. Und meine Wenigkeit«, fügte er, an Warja gewandt, hinzu, »wird eine höchst einflußreiche Person. Vielleicht sogar Senator. Mein erwiesener Scharfblick ist nach Verdienst gewürdigt worden. Also, wie ist es mit der romantischen Spritztour? Ich bestehe darauf.«
    »Ich überleg’s mir«, versprach sie ausweichend und dachte darüber nach, wie sie das Gespräch in die nötige Richtung lenken könnte.
    In diesem Moment erschienen Surow und d’Hévrais, sehr zur Unzeit, was Warjas Auftrag betraf, aber sie freute sich trotzdem: In deren Gegenwart würde Lucan sein Tempo mäßigen müssen.
    Der Oberst folgte ihrer Blickrichtung und murmeltemißmutig: »Das ›Royal‹ wird ja zur Absteige! Wir hätten ein Séparée nehmen sollen.«
    »Guten Abend, die Herren«, begrüßte Warja ihre Bekannten fröhlich. »Bukarest ist eine kleine Stadt, nicht

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