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Türkisches Gambit

Türkisches Gambit

Titel: Türkisches Gambit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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einem Raum und stand ganz am Rande des Stabsstädtchens.Fandorin war zu Hause, öffnete ihr und sah sie in einer Weise an, daß ihr innerlich warm wurde.
    »Guten Tag, Erast Petrowitsch, da bin ich wieder.« Sie war entsetzlich aufgeregt.
    »Freut mich«, sagte er kurz und ließ sie eintreten. Das Zimmer war schlicht, hatte aber eine Sprossenwand und ein Arsenal von Gymnastikgeräten. An der Wand hing eine Generalstabskarte.
    Warja erklärte: »Meine Sachen habe ich bei den Krankenschwestern gelassen. Petja ist im Dienst, darum bin ich gleich zu Ihnen gekommen.«
    »Ich sehe, Sie sind gesund.« Fandorin musterte sie von Kopf bis Fuß und nickte. »Neue F-frisur. Ist das jetzt Mode?«
    »Ja. Sehr praktisch. Und was tut sich hier?«
    »Nichts. Wir sitzen da und belagern die Türken.« Aus seiner Stimme klang Erbitterung. »Einen Monat, zwei Monate, d-drei. Die Offiziere saufen vor Langeweile, die Intendanten stehlen, die Kasse ist leer. Also alles normal. Krieg auf russisch. Europa atmet erleichtert auf und sieht zu, wie Rußlands Lebenssäfte wegsickern. Wenn Osman Pascha sich noch zwei Wochen hält, ist der Krieg v-verloren.«
    Fandorin sprach so deprimiert, daß er Warja leid tat.
    »Er hält sich nicht«, flüsterte sie.
    Fandorin fuhr zusammen und sah sie prüfend an.
    »Wissen Sie etwas? Was? Woher?«
    Na, und da erzählte sie. Bei Fandorin konnte sie das tun, er würde nicht loslaufen und es jedem erstbesten weiterplaudern.
    »Zu Ganezki? W-warum zu Ganezki?« Der Titularrat runzelte die Stirn.
    Er trat zur Karte und murmelte:
    »Zu G-ganezki ist es weit. Äußerste Flanke. Warum nicht ins Hauptquartier? Halt mal. Halt mal.«
    Mit verzerrtem Gesicht riß er den Uniformrock vom Haken und stürmte zur Tür.
    »Was ist denn?« schrie Warja und rannte hinterher.
    »Eine Provokation«, knurrte Fandorin im Laufen durch die Zähne. »Bei Ganezki ist die Verteidigung am dünnsten. Und dahinter liegt die Chaussee nach Sofia. Das ist keine Kapitulation. Das ist ein Ausbruch. Ganezki soll abgelenkt werden. Damit er nicht schießt.«
    »O Gott!« Sie hatte begriffen. »Und da kommen gar keine Parlamentäre? Wo wollen Sie hin, zum Stab?«
    Fandorin blieb stehen.
    »Zwanzig vor neun. Zum Stab ist es weit. Von einem Vorgesetzten zum anderen. Und die Zeit rinnt. Zu Ganezki schaff ich’s nicht. Zu Sobolew! Eine halbe Stunde Galopp. Sobolew fragt nicht erst die Führung. Ja, er riskiert’s. Er schlägt als erster zu. Dann kommt es zum Kampf. Wenn er auch Ganezki nicht zu Hilfe kommen kann, so stößt er wenigstens in die Flanke. Trifon, mein Pferd!«
    Sieh an, einen Burschen hat er, dachte Warja flüchtig.
     
    Die ganze Nacht grummelte es in der Ferne, und gegen Morgen wurde bekannt, daß der im Kampf verwundete Osman Pascha kapituliert hatte: mit seiner ganzen Armee; zehn Paschas und zweiundvierzigtausend Mann legten die Waffen nieder.
    Damit war das Herumsitzen bei Plewna beendet.
    Viele waren gefallen, das Korps Ganezki, von der Attacke völlig überrascht, wurde fast völlig aufgerieben. In aller Munde war der Name Sobolew – der Weiße General, der unverwundbare Achilles, der im entscheidenden Moment aufeigenes Risiko in das von den Türken verlassene Plewna vorgestoßen war, hinein in Osman Paschas ungedeckte Flanke.
     
    Fünf Tage später, am 3. Dezember, veranstaltete der Imperator vor seiner Abreise vom Kriegsschauplatz in Paradim eine Abschiedsparade für die Garde. Zu der Zeremonie wurden Würdenträger und die Helden der letzten Schlacht eingeladen. General Sobolew, dessen Stern im Zenit stand, schickte seine Kutsche, um Warja abzuholen. Der große Achilles hatte also seine alte Bekannte nicht vergessen.
    Warja war noch nie in so glanzvoller Gesellschaft gewesen. Vom Funkeln der Orden und Epauletten konnte man geradezu erblinden. Offen gestanden hatte sie nicht geahnt, daß es in der russischen Armee so viele Generäle gab. In der ersten Reihe standen in Erwartung der allerhöchsten Personen die rangältesten Heerführer, unter ihnen der unanständig junge Sobolew in seiner obligaten weißen Montur, ohne Mantel, obwohl der Tag, wenn auch sonnig, so doch frostkalt war. Alle Blicke ruhten auf dem Retter des Vaterlands, der, so kam es Warja vor, größer und breitschultriger geworden war und eine bedeutsame Miene zur Schau trug. Die Franzosen haben wohl recht, wenn sie sagen, die beste Hefe sei der Ruhm.
    Neben ihr unterhielten sich halblaut zwei rosige Flügeladjutanten. Der eine schielte mit seinen ölig

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