Türkisgrüner Winter (German Edition)
neben mir läge und mich in den Arm nehmen würde.
Was er wohl gerade tat? War er schon zu Hause? Ging es ihm gut? Kümmerte Alex sich um ihn, wie sie es mir versprochen hatte? Ich konnte es nur hoffen.
»Denkst du, ich bin besser? Ich war in den letzen zwei Monaten nur mit meiner eigenen Scheiße beschäftigt.«
Elyas‘ Worte aus dem Krankenhaus hallten mir durch den Kopf. Wie eine spitze Klinge hatten sie sich in meine Haut geschnitten. Und jetzt, wo ich wieder über sie nachdachte, kam es mir vor, als würde jemand das Messer in der Wunde herumdrehen. Ein Gedanke schoss mir in den Sinn, der mir bisher nicht gekommen war. Elyas gab mir doch nicht etwa die Schuld für den Vorfall? Mein Puls erhöhte sich. Aber nein, das könnte er nicht machen. Oder doch?
Elyas war nicht für Jessica dagewesen, weil er zu sehr mit seiner eigenen Scheiße beschäftigt war. Seine eigene Scheiße war ich. Mit anderen Worten, ich war der Grund, warum er Jessica vernachlässigt hatte.
Mir blieb die Luft weg. Aber ich konnte doch nichts dafür! Ich wusste ja noch nicht einmal, dass es ihm meinetwegen so schlecht ging – im Gegenteil, mir ging es doch selbst beschissen!
Wenn das wirklich Elyas‘ Denkweise war, dann … dann … Ich spürte, wie sich mir der Hals zuschnürte. Alles wäre verloren. Nie wieder könnte man das geraderücken, nie würde er mir das verzeihen. Mein Blick wurde glasig und ich verbarg das Gesicht in den Händen.
Mein Handy klingelte.
Ich schreckte hoch, sah zum Nachtschränkchen, nicht sicher, ob ich mir das Geräusch nur eingebildet hatte. Das Display leuchtete. Eine SMS.
Mit zitternder Hand griff ich nach dem Handy und versuchte mir immer wieder zu sagen, dass ich mir keine falschen Hoffnungen machen sollte. Es war bestimmt nur Alex, die mich auf den neuesten Stand bringen wollte. Oder Eva, die mich fragen würde, ob ich nicht doch noch Lust auf einen Gangbang hatte.
Ich drückte auf die Taste. Und im nächsten Moment begann mein Puls zu rasen.
»Nicht rangehen«
Darf ich vorbeikommen?
Alles um mich herum wurde still. Als wären mein Herzschlag, die Musik und alle Geräusche Berlins nach einem ohrenbetäubenden Schlag verstummt.
Wie versteinert starrte ich auf das Handy.
Elyas wollte vorbeikommen? Jetzt? Ich nickte, zumindest solange, bis mir auffiel, dass er das nicht sehen konnte. Die Stille verschwand so schlagartig wie sie gekommen war und das Blut rauschte lauter und schneller denn je durch meine Adern. Oh Gott. Er wollte mit mir reden. Das wollte er doch, oder? Ich schlug die Bettdecke auf und schniefte. Auf Knien tippte ich ihm meine Antwort.
»Emely«
Ja, natürlich.
Achtmal hatte ich mich bei den zwei Wörtern verschrieben. Mein Herz wollte sich keine Sekunde beruhigen und ich begann immer mehr zu hyperventilieren. Um sicher zu gehen, dass ich mir Elyas‘ SMS nicht nur eingebildet hatte, las ich sie noch drei weitere Male, als es plötzlich an der Tür klopfte. Ich zuckte so sehr zusammen, dass ich fast vom Bett gefallen wäre. Elyas, das war mein erster Gedanke. Aber dann wurde mir bewusst, dass das nicht möglich war. Er fuhr zwar schnell, aber fliegen konnte er nicht.
Eva. Sie hatte bestimmt ihren Schlüssel vergessen. Mit einer Hand krallte ich mich in die Haare und legte den Kopf in den Nacken. Von allen Momenten auf der Welt war das der unpassendste, an dem sie wieder nach Hause kommen könnte. Nein, definitiv nein! Eva konnte ich jetzt hier absolut nicht gebrauchen. Ich würde ihr einfach sagen, dass am anderen Ende der Stadt gratis Dildos verteilt wurden. Genau! Und schon war das Problem gelöst. Ich sprang aus dem Bett, riss die Tür auf und rief »Dildos!«
Ziemlich schnell klappte mir der Mund wieder zu. Auf der Höhe, auf der ich Evas Gesicht erwartet hatte, sah ich nur einen männlichen Oberkörper. Mein Blick wanderte nach oben und landete in türkisgrünen Augen. Wieder schienen mit einem Mal alle Geräusche zu verstummen.
»Dildos?«, fragte Elyas.
Ich spürte, wie mir vulkanartig die Hitze in die Wangen stieg. »Ich … ich … ich … ich dachte, du bist Eva.«
Jetzt zog er eine Augenbraue nach oben. »Du dachtest, ich wäre Eva und wolltest sie mit Dildos begrüßen?«
Oh nein . Der Moment, in dem man bemerkte, dass man bis zum Hals in der Scheiße gesteckt war und dann den Kopf auch noch eingetaucht hatte.
Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder, schüttelte den Kopf und schlug schließlich aus purer Verzweiflung die Tür zu. Mit dem Rücken lehnte
Weitere Kostenlose Bücher