Türkisgrüner Winter (German Edition)
zumindest verdächtig. Aber was sollte sie mit einem Brief?«
Eva zuckte die Achseln. »Die Alte ist durchgeknallt. Das ist so eine, die den ganzen Tag am Fenster sitzt, die Nachbarn beobachtet und Kennzeichen notiert. Fremder Leute Post zu lesen, würde genau ins Bild passen. Das traue ich der sowas von zu.«
»Hm«, machte ich. Eine wirre Putzfrau, die ihre Nase gerne in fremde Angelegenheiten steckte und zusätzlich wütend auf Eva war … So recht wusste ich nicht, was ich von der Theorie halten sollte. Aber bisher war es die einzige, die ich hatte.
Mit dem Erklingen meiner Handymelodie rutschte mir augenblicklich das Herz in die Hose. Ich streckte mich nach dem Telefon auf dem Nachtschränkchen und sah auf das blinkende Display. »Alex«. Erst jetzt konnte ich wieder atmen.
»Hallo Alex«, sagte ich.
»Hey, was machst du?«
»Im Bett liegen und vor mich hinstarren. Und selbst?«
Weil Eva sich räusperte, hob ich den Kopf. Mit Handzeichen signalisierte sie mir, dass sie duschen ging. Ich nickte.
»Ich dachte schon, ich bin die Einzige, die dieses neue Hobby für sich entdeckt hat«, sagte Alex. »Sebastian und Elyas sind schon den ganzen Tag unterwegs. Mir fällt jeden Moment die Decke auf den Kopf. Wie sieht‘s aus, magst du ein bisschen vorbei kommen?«
»Puh«, machte ich und blies die Wangen auf. »Einerseits würde ich das gerne, andererseits glaube ich nicht, dass das eine gute Idee wäre.«
»Warum nicht?«
Ich war noch nie ein Freund von Warum-Fragen gewesen, und wenn es bei der Antwort um Elyas ging, dann schon gleich zweimal nicht. Allmählich sah aber sogar ich ein, dass langsam kein Weg mehr daran vorbeiführte.
»Wegen Elyas«, sagte ich leise. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mich momentan in seiner Wohnung haben möchte. Er war nicht sonderlich erfreut darüber, als ich gestern auf ihn gewartet habe.«
»Was darf man sich unter nicht sonderlich erfreut vorstellen? War er gemein zu dir?«
»Nein, das nicht.« Ich quälte mich hoch in den Schneidersitz. Langsam wurde ich zu verspannt zum Liegen. »Er war abweisend. Und als ich mit hoch in die Wohnung wollte, gab er mir unmissverständlich zu verstehen, dass er das nicht möchte und ich gehen sollte.«
»Verstehe«, sagte Alex. Dem leichten Klacken nach zu urteilen, wechselte sie den Hörer auf die andere Ohrseite. »Hast du eine Ahnung, warum er so reagiert hat?«
Schon wieder eine Warum-Frage. Ich stützte den Kopf in die Hand. »Genau wissen tue ich es nicht, nein. Ich kann es nur vermuten. Wahrscheinlich dachte er, ich würde ihn bloß aus Mitleid trösten wollen oder was weiß ich.«
»Hach«, machte Alex langgezogen. »Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie doof ich euch beide finde.«
»Vielen Dank.«
»Keine Ursache«, sagte sie. »Wirst du mir denn mit Achtzig endlich mal erzählen, was mit euch los ist? Oder werde ich unwissend ins Gras beißen?«
»Alex …«
»Ja, was denn? Immer kriege ich nur Alex, Alex, Alex zur Antwort. Warum stellst du dich so an?«
»Ich …«
»Ja, was du? Himmelherrgott. Ihr regt mich so auf. Wie Elyas dich immer ansieht! Du kannst nicht mehr leugnen, dass zwischen euch etwas ist. Dir geht es beschissen, ihm geht es beschissen. Jeder Blinde sieht es. Ich weiß es also ohnehin – warum kannst du es nicht einfach erzählen?«
»Wie sieht Elyas mich denn immer an?«
»Emely!«, schrie sie in den Hörer.
»Ist ja gut, Mann!« Ich fasste mir an die Stirn. »Ja, mir geht es beschissen und ja, da ist etwas zwischen uns. So richtig weiß ich das aber auch erst seit gestern. Ich werde es dir ja erzählen. Aber es ist alles sehr kompliziert und ich bin gerade selbst durcheinander. Ich würde gerne erst mit Elyas darüber reden. Kannst du das verstehen?«
»Dann komm vorbei, wir warten auf Elyas, du redest mit ihm und danach redest du mit mir. Wo ist das Problem?«
Ich stöhnte. »Alex, das Problem liegt darin, dass Elyas gerade in einer äußerst beschissenen Situation steckt und andere Sorgen hat. Er muss das mit Jessica erst einmal verdauen.«
Ohne sie zu sehen, wusste ich, dass sie die Augen verdrehte.
»Gib Elyas und mir doch die Zeit herauszufinden, was wirklich zwischen uns ist und ich verspreche dir, dass ich dir danach alles erzählen werde. Gleichgültig, was bei dem Gespräch herauskommt. In Ordnung?«
»Alles?«, fragte sie.
Ich schloss die Augen. »Alles.«
»Noch bevor ich alt und grau bin?«
»Noch bevor du alt und grau bist.«
»Und wie wäre es mit einem
Weitere Kostenlose Bücher