Türme Der Dämmerung
»Ich glaube, wir werden von jetzt an viele Besucher haben.«
»Ja, das denke ich auch. Du solltest dafür sorgen, dass Shierra oder eine der Ausbilderinnen der Garde deinen Söldnern den Umgang mit der Klinge lehrt.«
»Na ja … bei dem Regen … ich meine … wir könnten in der großen Halle anfangen … Wir haben bereits damit begonnen, nachdem wir sahen …«
Der Mann mit dem Silberhaar unterdrückt ein Lächeln. »Shierra ist wohl die beste Ausbilderin.«
»Sie meint, dass Ihr in Westwind einer der wenigen Meister der Klinge wärt und dass es niemandem gestattet war, Euch das zu sagen.« Er dämpft die Stimme. »Herr, ist es wahr, dass Ihr aus einem Gefangenenlager der Weißen Magier entflohen seid?«
»Ja, doch hatte ich Hilfe.« Creslin wird wieder müde und lehnt sich zurück.
»Dennoch … kein Wunder, dass sie Euch gefangen nehmen wollten.«
Creslin blickt zum schmalen Fenster. Wird der Himmel heller? Er hofft es.
»Ich glaube, es wird Zeit für mich zu gehen«, sagt Hyel.
Creslin versteht, als er etwas Rotes am Eingang sieht. »Ja, wir sprechen später weiter.«
Hyel grinst. »Guten Abend, Regentin Megaera.« Er neigt den Kopf.
»Guten Abend, Hyel. Du kannst ruhig bleiben.«
Creslin genießt den Klang ihrer leicht rauen Stimme und ist froh, dass sie gekommen ist.
»Danke, Regentin, doch ich muss die Dienstpläne überprüfen.«
»Nun, dann geh.« Megaera setzt sich auf den Schemel am Fußende des Bettes. In der Dämmerung vermag er nicht in ihren Augen zu lesen. »Es wird langsam Zeit, dass du aufwachst.«
»Ich schätze, ich habe alles übertrieben.«
… übertrieben? …
Sie blickt zum Fenster. »Die Stürme eingeschlossen. Niemand hat je soviel Regen gesehen. Klerris meint, es könnte noch mehrere Tage regnen.«
»Oh. Ich habe nicht daran gedacht, den Regen rechtzeitig zu beenden. Ich war zu sehr beunruhigt, dass Hamoraner entkommen könnten.«
Sie lächelt. »Die meisten wollen nicht mehr zurück.«
Creslin zwingt sich, still zu liegen, da doch Megaera seinen Schmerz ebenfalls fühlt. »Warum nicht?«
»Weißt du, was der Herrscher mit Soldaten macht, die versagt haben?«
»Oh.«
»Sie fühlen sich hier sicher.«
»Bis den Weißen Magiern etwas Neues einfällt – oder Hamor«, entgegnet Creslin.
»Das wird nicht geschehen. Jedenfalls nicht, solange du lebst, großer Sturm-Magier. Wer möchte schon eine Flotte oder eine Armee wegen einer nahezu wertlosen Insel verlieren?«
»Bald wird sie nicht mehr wertlos sein.«
»Aber noch ist sie es, teurer Gatte.«
Danach schweigen sie. Dunkelheit breitet sich im Raum aus. Die beiden Wachen haben die Tür geschlossen, ohne dass Creslin es bemerkt hat. Draußen regnet es noch immer, doch nicht mehr so stark.
»Was sollen wir tun?« fragt Megaera schließlich.
»Können wir lernen … miteinander … zu leben?«
»Du und ich?« Sie lacht hart und kalt. »Wenn ich dich ständig am Leben erhalten muss und jederzeit weiß, was du fühlst …«
… das ändert gar nichts …
»Haben wir eine Wahl?« fragt Creslin.
Megaera antwortet nicht, sitzt nur stumm da. Er vermag nicht länger wach zu bleiben und schläft wieder ein.
XCVI
D er kleine Raum im obersten Geschoß wird von vier Messinglampen erhellt, die jeweils vor einem Spiegel hängen. Draußen rauscht der Regen, wie schon seit mehreren Achttagen.
»Wenn das noch viel länger dauert, gibt es in ganz Ost-Candar keine Ernte mehr, Jenred«, klagt der schwergewichtige Weiße Magier. »Und der Gesandte aus Hamor hat sich beschwert, dass du ihn durch Zauberei überlistet hast, Creslin des Diebstahls der Schätze Westwinds anzuklagen.«
»Aber das glauben sie doch nicht wirklich, oder?« »Ich glaube kaum, dass der Herrscher Hamors über den Verlust von zwölf Schiffen besonders erfreut ist.«
Hartor rutscht unruhig auf dem Stuhl hin und her. Mehrmals blickt er zur halboffenen Tür.
»Nun gut, es war den Versuch wert«, erwidert der dünne Mann in Weiß und hebt den Kopf, als wolle er etwas aus der Luft erschnuppern. Mit finsterer Miene blickt er durchs schmale Fenster auf den Regen. »Creslin ist stark, das muss ich ihm zubilligen.«
»Stark! Das ist, als würde man behaupten, die Winter in Westwind seien kalt.«
»Na und?« gibt Jenred zurück und scheint immer noch auf etwas zu warten – einen Geruch oder ein geflüstertes Wort, das er nicht zu deuten vermag. »Uns berührt das kaum. Er verlässt Recluce nicht und bereitet Hamor große Sorgen.«
»Jenred, warum
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