Türme Der Dämmerung
dachte, du hättest für Theorie nicht viel übrig.«
»Theoretisch?«
»Nun ja.« Klerris lächelt. »Bis du erschienen bist, war niemand imstande, auch nur daran zu denken. Warum hast du nicht einfach damit begonnen, das Wetter zu ändern?«
»Megaera hat mich überzeugt, erst mit dir zu sprechen.«
Megaeras Blick wandert von Creslin zu Klerris. »Da gibt es etwas, das er uns nicht sagt.«
»Das glaube ich auch«, sagt Klerris.
»Ja, ihr habt recht«, räumt Creslin ein. »Wir brauchen kühles Wetter und Regen. Ich vermag Eiswinde herbeizurufen, doch fühle ich, dass sie die Obstbäume und Äcker dermaßen schädigen würden, dass die Ernte zerstört wäre, ehe der Regen fällt, den wir brauchen.«
… zumindest macht er sich Gedanken …
»Würdest du bitte …«
Megaera errötet. »Tut mir leid, ich vergesse es immer noch.«
»Ja, weil du Gewalt an falscher Stelle einsetzt«, sagt Klerris. »Das wird ein Weilchen dauern. Nehmt Platz.« Er deutet auf die Holzstühle.
»Stell dir einen Hebel vor«, beginnt Klerris. »Wenn der Hebel kurz ist und du einen Felsbrocken bewegen willst, musst du sehr viel Kraft auf den Hebel verwenden. Mit einem längeren Hebel brauchst du weniger Kraft, doch musst du den Hebel über eine längere Strecke bewegen. Die Arbeit mit dem Wetter ist ähnlich, wenn du Länge und Strecke des Hebels mit Entfernung und Zeit gleichsetzt. Als du den Sturm hergerufen hast, mit dem du die hamorische Flotte zerstört hast, hast du sofort und unvermittelt brutale Gewalt eingesetzt …«
»Ich hatte keine andere Wahl.«
»Sei nicht so empfindlich.« Klerris schüttelt den Kopf. »Das ist nicht der Punkt. Hättest du vorhersagen können, wann die Hamoraner kommen, hättest du über Tage hinweg Winde aus größerer Entfernung rufen und den Sturm so lenken können, dass du ihn leichter hättest sich auflösen lassen können.«
»Aber wie soll man wissen, welche Winde man verändern soll und wie?«
»Wenn du die Güte hast, mir zuzuhören, werde ich es dir erklären. Vielleicht erinnerst du dich, dass ich es dir vor geraumer Zeit schon erklären wollte, doch du schienst kein Interesse zu haben.«
»Damals war ich seekrank«, verteidigt sich Creslin.
Megaera blickt ihn scharf an.
»Tut mir leid … Ja, du hast recht. Ich hätte zu einem späteren Zeitpunkt fragen können.«
»Möchtet ihr etwas trinken? Das wird eine Zeitlang dauern.«
Creslin nickt und steht auf. »Wo …?«
»Lass nur, ich hole es«, unterbricht ihn Megaera. »Erzähle Klerris lieber, was du mir erzählt hast.«
Creslin seufzt nicht. Wieder hat Megaera ihm bewiesen, dass er weiter vorausdenken muss. Er setzt sich wieder und schaut Klerris an.
CIV
» K ümmerst du dich um die Einzelheiten?« fragt der Herzog, als die dunkelhaarige Frau ihm den Becher an die Lippen setzt. Mühsam richtet er sich ein wenig auf.
»Selbstverständlich.« Die Frau legt ihm die Hand auf die fieberheiße Stirn. »Ich weiß doch, wie sehr du dich sorgst.«
»… fühlt sich gut an …«, murmelt er.
»Trink noch mehr. Es ist gut für dich.«
»Schmeckt grauenvoll … die Hand fühlt sich gut an.«
Helisse nimmt den Becher fort.
»So kann es nicht weitergehen. Jedes Mal wird es schlimmer. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun soll.« Den Worten folgt heiseres Husten. »So heiß … so trocken.«
»Man sagt, das komme von den Schwarzen Magiern auf Recluce, die den Regen gestohlen haben.«
»Glaube das nicht«, stößt der Herzog hervor. »Das Jahr hat heiß begonnen. Mehr Regen, als Creslin hier war … sorge dafür, dass die Schatulle mit dem Sold mit dem nächsten Schiff hingeschafft wird.«
»Ich verstehe, liebster Mann. Ich verstehe.« Helisse legt ihm wieder die Hand auf die heiße verschwitzte Stirn. »Doch du brauchst jetzt Ruhe.«
»Ruhe, Ruhe! Das ist alles, wozu ich noch fähig bin.«
Nach geraumer Zeit nimmt Helisse die Hand fort. Ein rötlich-weißer Schimmer haftet an ihren Fingerspitzen. Der Herzog hat die Augen geschlossen und hustet heiser.
»Schlaf gut, lieber Mann. Schlaf gut.«
Sie wendet sich an das Mädchen, das auf einem Schemel neben dem Fenster sitzt. »Ruf mich, falls er etwas braucht. Du weißt, wo man mich findet.«
»Jawohl, Herrin.«
Wieder hustet der Herzog, doch Helisse dreht sich nicht mehr um, als sie das Krankenzimmer verlässt. Sie nickt nur den Wachen vor der Tür zu.
CV
V on der Terrasse aus erstreckt sich nach Süden hin trockenes ebenes Land bis zum staubigen Horizont. Über
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