Türme Der Dämmerung
kurz oder lang werden die Hitzeteufel auftauchen. Das Ostmeer wirkt glatt wie ein Spiegel, seine Wellen plätschern kaum an den Strand unterhalb der Terrasse.
Creslin schaut zum Joch und den Eimern. Heute liegt wieder ein langer Tag harter Arbeit vor ihm. Für die Handvoll Flüchtlinge in Landende und die Besatzung der Feste muss das Wasser entsalzt werden.
»Creslin?« ruft Megaera zärtlich. Sie steht barfuss in einem dünnen Gewand im Morgenlicht.
Was will sie?
»Ist es so offensichtlich?« Sie verzieht das Gesicht.
… verdammt … Aber sie ist nicht zornig, nur ein wenig reuevoll.
»Tut mir leid«, sagt Creslin.
»Die Greif läuft morgen ein.«
»Und?«
»Aldonya und Lynnya sind an Bord.«
»Möchtest du, dass die beiden hier bleiben?«
»Ich habe es versprochen.«
»In welchem Gästehaus?«
»Danke.«
Sie schmiegt sich an ihn. Er greift in ihr Gewand und legt den Arm um ihren nackten Rücken.
»Creslin!« … Nein! Nicht jetzt! …
Zögernd zieht er die Hand zurück.
»Du …« … nimmst dir zu viele Freiheiten heraus … schon immer … »denkst immer nur an das Eine.«
»Nicht immer. Nur wenn du in meiner Nähe bist.«
Sie lächelt und weicht seinem Blick aus.
»Ich weiß, dass du dir Sorgen wegen Aldonya machst«, sagt Creslin. »Sie freut sich gewiss, dich wieder zu sehen, aber wird sie auch erfreut sein, mich zu sehen?«
»Selbstverständlich. Sie hat einmal gesagt, du hättest ein gutes Herz.«
»Und, glaubst du ihr?«
»Selbstverständlich nicht. So sehr hast du dich nicht verändert, Liebster.« Schnell wird sie wieder ernst. »Welche Pläne hast du für heute?«
»Ich will nach einem neuen Brunnen suchen. Klerris meint, jenseits der hochgelegenen Felder gäbe es Wasser.« Er zuckt mit den Schultern. »Das ist besser, als hier zu sitzen und zuzuschauen, wie die Insel langsam austrocknet. Und du?«
»Übungen mit der Klinge, Glasarbeiten. Avalari hat ein Kelchglas geschaffen, das ziemlich gut ist. Doch mir gelingt nicht immer die richtige Mischung. Manche meiner Gläser zerspringen.«
»Aber …«
»Ich weiß, ich könnte sie mit Ordnung binden, aber darum geht es nicht.«
Creslin stimmt ihr zu. Sie beide können nicht alles tun, aber diese Erkenntnis schmerzt zuweilen. Er holt das Joch und legt es sich auf die Schultern. »Ich bin so bald zurück, wie ich kann.«
CVI
C reslin blinzelt in die grelle Sonne. Hinter ihm, auf der Ostseite der Pier, liegt die umbenannte Morgenstern, allerdings noch ohne Segel. Ein halbes Dutzend Männer arbeiten an dem ehemaligen hamorischen Kriegsschoner. Am Ende der Pier warten ein Karren und ein Wagen. Vor ihm steht eine Abteilung, zur Hälfte Söldner, zur Hälfte Garde, und wartet darauf, die Schaluppe zu entladen.
»Sie liegt tief im Wasser«, bemerkt Creslin, als die Greif zur Pier pflügt. Megaera steht neben ihm und winkt der Frau an der Reling zu, die ein Bündel im Arm hält.
Freigr begrüßt sie mit militärischer Ehrbezeugung, bleibt jedoch am Ruder stehen, bis die Segel gerefft sind und die Laufplanke auf der Pier liegt.
Aldonya stürmt die Planke herab und sinkt vor Megaera auf die Knie. »Euer Gnaden …«
Megaera hebt sie auf.
»Ich bin so froh, hier zu sein!« stößt Aldonya hervor.
Creslin und Megaera betrachten die Schwarze Residenz, die von der Sonne verbrannten Hügel und die Hitzeschlieren.
Megaera hebt eine Braue. »Deine Gefühle in Ehren, Aldonya, aber hier ist nicht gerade das Paradies.«
»O doch, es ist das Paradies, Euer Gnaden. In Montgren war für mich – doch ich sollte nicht klagen. Der Herzog war sehr freundlich, wenn er nicht krank war.«
»Sprich weiter«, bittet Creslin.
Das Wimmern des Säuglings unterbricht ihr Gespräch.
Aldonya wiegt den rothaarigen Säugling. »So, siehst du, jetzt sind wir zu Hause, kleine Lynnya. Kein Umherziehen mehr.«
Megaera lächelt. Bei diesem Lächeln wird Creslin warm ums Herz. Megaera errötet, als sie seine Gefühle spürt. »Du bist unmöglich!« flüstert sie ihm zu.
Aldonya schaut Megaera an. »Ich habe Euch gesagt, dass er ein gutes Herz hat.«
Megaera errötet noch stärker.
»Zurück zu Montgren«, sagt Creslin, sowohl um Megaera zu retten, als auch um zu hören, was Aldonya zu berichten hat.
»Nun … es war wie vor einem schrecklichen Sturm.« Sie öffnet die Bluse und gibt dem Säugling die Brust. »Alle wissen, dass dieser Sturm kommt und es schwierig wird, doch niemand wagt etwas zu sagen. Es war so traurig. Und jetzt bin ich
Weitere Kostenlose Bücher