Türme strahlen den Tod
nicht aus mit ihm. Mit übermenschlicher Kraft packte er den schwingenden Stiefel, drehte ihn herum und bog ihn scharf nach hinten. Überrascht und außer sich vor Schmerz schrie der Polizist auf, stürzte hintenüber und verschwand.
Keuchend lag Altair am Rand der Plattform und starrte über die Kante hinweg nach unten.
7. Kapitel
Der Morgen dämmerte schon, als Altair wieder unten ankam. Die Sonne mußte sich mit ein paar Strahlen mühsam den Weg durch dicke Wolkenbänke bahnen. Die ganze Welt schien aus Schnee gemacht. Rund um die Holzbaracke lagen dunkle Gestalten gefallener Kämpfer.
Müde und erschöpft schwang er sich von der untersten Verstrebung auf den Boden.
Tremaine stapfte durch den Schnee auf ihn zu. Auch er sah müde aus.
„Hast du gefunden, was du gesucht hast?“
„Jawohl“, nickte Altair. Er blies in die Hände und schüttelte sich ein wenig. „Komm doch in die Baracke hinein! Ich bin beinah erfroren.“
„Ein guter Gedanke!“ grunzte der breitschultrige Bettlerkönig zustimmend. Er rief einen seiner Leute heran.
„Koche sofort Kaffee! Die Leute vom Arbeitsbataillon können dir zeigen, wo sich die Küche befindet.“
Schweigend ging er vor Altair auf die Holzhütte zu. Mit einem Tritt öffnete er die Tür.
„Was werden wir jetzt tun?“ Mit flammendem, wildem Blick schaute Tremaine den schlanken, jungen Mann an. Seine Augen waren vor Müdigkeit gerötet – aber ganz offensichtlich auch vor Wut.
„Wie meinst du das denn?“
„Meinen? Ich will dir sagen, wie ich das meine!“ Tremaine trat wütend nach einem Stuhl und schleuderte sein Gewehr in eine Edie des Zimmers.
„Da draußen liegen meine Männer, erschossen. Es waren meine Freunde. Es waren Männer, dir mir vertraut haben. Und wohin hat ihr Vertrauen sie geführt? In einen Kampf gegen Feinde, die besser bewaffnet, besser ausgerüstet und besser gekleidet waren als sie. Und dann? Gewiß, im Augenblick sieht es so aus, als hätten wir gesiegt. Aber was nützt das schon? Burtards ganze Wut wird sich über sie ergießen. Er wird neue, starke, überlegene Kräfte gegen uns ausschicken, wird uns einschließen, ausräuchern. Altair, ich sage dir, es reicht mir jetzt endgültig. Ich mache nicht mehr mit! Ich bin total fertig.“
„Fertig bist du?“ Der junge Mann lächelte freundlich und setzte sich in aller Ruhe bequem in einen Sessel.
„Hör mal, Tremaine, nimm doch Vernunft an! Was immer du auch jetzt vorhaben magst, vergiß nicht, daß du eines nicht tun kannst: du kannst unter keinen Umständen den Stein plötzlich anhalten, den du selbst ins Rollen gebracht hast. Du darfst auf dem einmal eingeschlagenen Wege jetzt nicht anhalten. Dafür steht viel zuviel Entscheidendes auf dem Spiel.“
Die Tür ging auf, und ein Mann kam mit einer Kanne voll dampfendem Kaffee herein. Altair grinste den Burschen dankbar an, ergriff die Kanne und goß zwei Tassen ein. Hastig nahm er einen Schluck und schob die zweite Tasse dem Bettlerkönig hinüber.
„Da, Tremaine, nimm erst einmal einen kräftigen Schluck. Ganz bestimmt wird dir danach besser werden.“
„Meinst du?“ Tremaine ließ sich in einen Sessel fallen und hob die Tasse hoch. „Was hast du da oben denn nun gefunden? Und was werden wir zunächst unternehmen?“ fragte er ein wenig neugierig.
„Ich habe genau das gefunden, was ich erwartet hatte“, erwiderte der junge Mann ganz ruhig. „Und zu deiner zweiten Frage will ich dir sagen, was wir nun zu tun haben. Gib deinen Männern Befehl, sie sollen den Polizisten die Uniformen ausziehen. Die Gefallenen können sie begraben. Dabei werden die Männer von den Arbeitskolonnen ihnen helfen. Und dann laß unter den Zwangsarbeitern verkünden, daß jeder freiwillig deiner Streitmacht beitreten kann.“
Er unterbrach sich einen Augenblick und nickte, als er den Ausdruck im Gesicht des anderen erkannte.
„Jawohl, Tremaine, deine Streitmacht habe ich gesagt. Denn das stellt der ursprünglich eilig zusammengewürfelte Haufen nun dar. Wir stehen plötzlich mitten im Krieg und wir bereiten uns vor, in die entscheidende Schlacht zu ziehen.“
„Entscheidende!“ lachte der hochgewachsene Mann auf. Höhnisch klang seine Stimme. „Der Ausdruck Streitmacht’ ist sehr schmeichelhaft, aber er trifft nicht zu. Wie sollte es uns möglich sein, eine Armee zu bilden? Wir sind doch nichts anderes als eine Bande von Dieben und Bettlern, von befreiten Sträflingen und verzweifelten Männern, die sich vor dem Gesetz verbergen
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