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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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irgendetwas geschehen würde … dass sich die Sache zuspitzen, das Blatt wenden würde … aber vermutlich nicht zum Positiven …
    Dieser Verdacht wurde zusätzlich genährt, als der Beamte eines Tages die Zellentür aufriss, Chester einen Schwamm und einen Eimer mit dunklem Wasser hinstellte und ihm befahl, sich zu waschen. Trotz seiner Bedenken war der Junge froh, sich ein wenig frisch machen zu können – obwohl die Waschaktion wie Feuer brannte, da seine Neurodermitis schlimmer war als je zuvor. Früher hatte sich das Ekzem auf seine Arme beschränkt und nur gelegentlich auf sein Gesicht ausgeweitet; doch inzwischen war der Ausschlag überall ausgebrochen, und sein ganzer Körper schien zu jucken und zu nässen. Der Polizist hatte ihm auch ein paar frische Sachen zugeworfen, darunter eine riesige Hose, die allem Anschein nach aus Jute gefertigt war und den Juckreiz nur noch verstärkte.
    Doch bis auf diese eine Ausnahme verstrich die Zeit quälend langsam. Chester hatte jedes Gefühl dafür verloren, wie lange er schon allein in der Zelle saß – vielleicht schon einen Monat, er konnte es nicht sagen.
    Eines Tages hatte er etwas Aufregendes entdeckt: Wenn er vorsichtig mit den Fingerspitzen über die Steine fuhr, konnte er Buchstaben ertasten, die in die Zellenmauer geritzt waren. Neben Initialen und Namen fand er auch Zahlen, vermutlich handelte es sich um Datumsangaben. Und ganz unten, knapp über dem Boden, hatte jemand in Großbuchstaben gemeißelt: ICH BIN HIER GESTORBEN, GANZ LANGSAM. Nachdem er das gelesen hatte, war Chester die Lust auf weitere Lektüre vergangen.
    Einige Zeit später hatte er noch etwas herausgefunden: Wenn er auf den bleiverkleideten Mauervorsprung stieg und sich auf die Zehen stellte, reichte er gerade an das Gitter vor der schmalen Mauerscharte hoch oben in der Wand heran. Umfasste er dann die Eisenstangen und zog sich daran hoch, konnte er den vernachlässigten Gemüsegarten des Gefängnisses sehen. Dahinter lag ein Stück Straße, das in einen Tunnel führte und von den ewig brennenden Leuchtkugeln erhellt wurde. Immer wieder zog Chester sich an dem Gitter hoch und starrte auf die Stelle, wo die Straße im Tunnel verschwand – in der verzweifelten Hoffnung, dass er vielleicht, nur vielleicht, seinen Freund Will erblicken würde, der zurückkehrte, um ihn zu retten wie ein strahlender Ritter. Doch Will kam nicht, und Chester hing an dem Gitter und hoffte und betete inständig, bis seine Fingerknöchel vor Anstrengung ganz weiß und seine Arme kraftlos wurden. Dann sank er zurück in die Zelle, zurück in die Schatten und in die tiefe Verzweiflung.

27
    »Aufwachen! He, wach auf!«
    Will wurde aus seinem tiefen und traumlosen Schlaf gerissen; Cal stand neben ihm und rüttelte gnadenlos an seiner Schulter.
    Als Will sich langsam in dem schmalen Bett aufsetzte, spürte er sofort einen pochenden Schmerz in seinen Schläfen, und ihm war ziemlich elend zumute.
    »Steh auf, Will, die Pflicht ruft.«
    Will hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber es musste noch verdammt früh sein – daran bestand kein Zweifel. Er rülpste, und als er den schalen Biergeschmack vom Abend zuvor in seinem Mund schmeckte, stöhnte er und ließ sich wieder in die Kissen sinken.
    »Ich hab gesagt, du sollst aufstehen!«
    »Muss das sein?«, protestierte Will.
    »Mr Walsum wartet schon, und er ist kein besonders geduldiger Mann.«
    Wie bin ich nur hier gelandet? Mit fest geschlossenen Augen lag Will einfach da und sehnte sich danach weiterzuschlafen. Er hatte das Gefühl, als würde er seinen ersten Schultag noch einmal durchleben – ein solches Angstgefühl erfasste ihn. Es war ihm vollkommen rätselhaft, was ihn da draußen erwartete, und er hatte nicht die geringste Lust, es herauszufinden.
    »Will!«, rief Cal.
    »Schon gut, schon gut.« Resigniert stand er auf, zog sich an und folgte Cal nach unten, wo ein kleiner, stämmiger Mann mit ernstem Gesichtsausdruck auf der Türschwelle stand. Er musterte Will mit unverhohlener Abscheu und kehrte ihm dann den Rücken zu.
    »Hier, zieh das schnell an.« Cal reichte Will ein schweres schwarzes Bündel. Will faltete es auseinander und zwängte sich in eine Art Ölzeug, das schlecht saß und unter den Armen und im Schritt kniff. Er schaute an sich herab und dann zu Cal, der die gleiche Kleidung trug.
    »Wir sehen lächerlich aus!«, sagte er.
    »Da, wo du hingehst, wirst du die Sachen noch verdammt gut brauchen«, erwiderte Cal kurz angebunden.
    Will

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