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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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die Gelegenheit … schoss es ihm durch den Kopf.
    Fieberhaft schob er die Hand unter das Ölzeug, tastete in seiner Hosentasche und bekam schließlich sein Taschenmesser zu fassen.
    … zur Flucht …
    Er blinzelte in die völlige Dunkelheit des Unbekannten und versuchte, seine Chancen zu berechnen, während gleichzeitig das Seil ruckte, da die anderen ihn hochzuziehen begannen.
    … und Dad ist da unten … irgendwo da unten … Der Gedanke zuckte ihm durch den Kopf, so hell wie ein Blitz.
    … irgendwo da unten, da unten, da unten … flüsterte sein Hirn wieder und wieder – eine Vorstellung, die ihn förmlich elektrisierte.
    … Wasser, ich kann Wasser hören …
    »KLETTRE AN DEM SEIL HOCH, JUNGE!«, hörte Will den Narbenmann irgendwo über sich brüllen. »KLETTRE HOCH!«
    Wills Gedanken überschlugen sich, als er die Geräusche unter sich zu identifizieren versuchte. Außer dem pendelnden Knarren des dicken Seils – seiner Rettungsleine nach oben, die ihm in die Hüften schnitt – war leises Plätschern und Gurgeln von fließendem Wasser zu hören.
    … aber wie tief ist es bis unten?
    Unter ihm floss definitiv Wasser, daran bestand kein Zweifel – aber Will wusste nicht, ob die Wassermenge reichen würde, um seinen Fall abzufangen. Er ließ die Messerklinge aufschnappen und drückte sie gegen das Seil, bereit, es durchzuschneiden.
    Ja … oder nein?
    Falls das Wasser nicht tief genug war, würde er in den sicheren Tod springen, hier an diesem gottverlassenen Ort. Vor Wills innerem Auge tauchten Bilder von spitzen Felsen auf, scharfkantig und tödlich, wie eine Zeichnung in einem Comicheft. Das nächste Bild zeigte seinen leblosen Körper, aufgespießt und zertrümmert, während das Blut aus ihm herausströmte und in der Dunkelheit versickerte.
    Doch Will fühlte sich draufgängerisch und wagemutig. Er drückte die Klinge gegen das geflochtene Seil, und der erste Strang zerfaserte mit einem Ruck.
    Eine tollkühne Flucht! ,schoss es ihm durch den Kopf, noch heller als zuvor – wie eine reißerische Schlagzeile auf einem Hollywood-Filmplakat. Die Worte standen stolz und mutig im Raum, doch dann tauchte plötzlich das Bild von Chesters Gesicht auf und ließ sie in tausend Stücke zerspringen. Plötzlich zitterte Will vor Kälte und bemerkte, dass sein ganzer Körper triefnass und mit Schlamm bedeckt war.
    Erneut drang das gedämpfte Gebrüll des Narbenmannes von oben zu ihm vor, so vage und verworren wie ein Jodler in einem Kanalisationsrohr, und riss ihn aus seinen Gedanken. Will wusste, dass er sich an dem Seil hochziehen musste, aber er konnte sich einfach nicht dazu überwinden. Schließlich seufzte er, und all sein Mut und Draufgängertum schwanden dahin und machten der kühlen Gewissheit Platz, dass sich ihm eines Tages eine andere Möglichkeit zur Flucht bieten würde – und die würde er dann auf jeden Fall ergreifen.
    Will steckte das Messer weg, zog sich in eine senkrechte Haltung und begann mit dem mühsamen Aufstieg.
     
    Sieben lange Stunden später konnte Will schon gar nicht mehr zählen, wie viele Bohrlöcher sie freigelegt hatten, während sie immer tiefer in den Tunnel vordrangen. Schließlich warf der Narbenmann im Schein der Laterne einen Blick auf seine Taschenuhr und verkündete, dass die Arbeit für diesen Tag beendet sei. Langsam trottete der Trupp zurück zur Trittleiter, und Will machte sich allein auf den Heimweg. Seine Hände und sein Rücken schmerzten höllisch.
    Als er aus dem Graben kletterte und müde die Straße entlangging, entdeckte er eine Gruppe von Kolonisten vor einem Gebäude mit einer großen Doppelflügeltür, neben der zahlreiche Kisten aufgestapelt waren.
    Plötzlich trat einer der Männer einen Schritt beiseite, und Will hörte ein hohes Lachen. Und das, was er dann sah, ließ ihn blinzeln und zweimal hinschauen: In der Mitte der Gruppe stolzierte ein Mann mit Strohhut und schweinchenrosa Blazer auf und ab.
    »Unmöglich! Das kann nicht sein! Mr Clarke der Jüngere!«, stieß er ungewollt laut hervor.
    »Was?«, erklang plötzlich eine Stimme hinter ihm. Einer der Jungen, mit denen Will im Tunnel gearbeitet hatte, war ihm gefolgt. »Du kennst den Mann?«
    »Ja! Aber … aber was um alles in der Welt macht er hier?« Will war sprachlos. Er dachte an den Gemüseladen der Gebrüder Clarke in der High Street und fragte sich verzweifelt, wie Mr Clarke der Jüngere hier unten gelandet sein mochte. Nach einer Weile erkannte er, dass der Obsthändler, der noch immer

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